Wiener Zeitung, 31.03.2006

Weg in EU wird zum Hürdenlauf

Einige EU-Mitgliedsstaaten wollen die Beitrittsgespräche mit der Türkei an strenge politische Kriterien knüpfen

Von Martyna Czarnowska

Brüssel/Rom. Für die Türkei ist es ein Hürdenlauf: Der Beginn von Verhandlungen mit der EU war schon vor dem Gesprächsstart an strengere Bedingungen geknüpft als bei den Kandidaten zuvor. Und bei jedem Kapitel geht das zähe Ringen weiter. Die Verhandlungen über den Abschnitt "Forschung und Entwicklung" haben noch nicht einmal begonnen, das Screening – die Prüfung des Rechtsbestandes des jeweiligen Landes – im Kapitel "Bildung" ist gerade einmal abgeschlossen – aber schon ist eine neuerliche Debatte ausgebrochen.

So möchten einige EU-Staaten wie Frankreich, Griechenland und Zypern bereits im zweiten der 35 Verhandlungskapitel Ankara dazu verpflichten, "politische Kriterien" zu erfüllen. Diese wollte die Türkei zu einem späteren Zeitpunkt angesprochen wissen. Andernfalls müsste sie jetzt bereits Minderheitenrechte – etwa muttersprachlichen Unterricht für kurdische Türken – erörtern.

Die Forderung Frankreichs lehnen andere Staaten wie Großbritannien, Spanien, Finnland, Schweden und Polen ab. Auch die EU-Kommission ist skeptisch: Die Verhandlungen über die ersten beiden Kapitel müssten ohne weiteres eröffnet werden können. Österreich, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat und im Oktober selbst den Verhandlungsstart an strenge Bedingungen knüpfen wollte, ist nun um einen Kompromiss bemüht. Dass es sich selbst in der Gruppe jener Staaten befindet, die Zusatzbedingungen an die Türkei stellen, wird in Brüssel dementiert. Auf eine gemeinsame Position konnten sich die EU-Mitglieder noch nicht einigen, kommende Woche beraten die Botschafter abermals.
Auf Distanz zu Ankara

In der Türkei werden einmal mehr Befürchtungen geäußert, das Pochen der EU auf verschärfte Bedingungen solle Ankara zermürben und auf Distanz zu Europa halten. Ist doch die Skepsis gegenüber den Beitrittsambitionen des Landes vor allem in westeuropäischen Staaten bekannt. Der Widerstand gegen die Bestrebungen der Türkei geht auch quer durch die europäischen Parteien – was die türkische AKP, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung von Premier Recep Tayyip Erdogan, nun wieder erfahren musste. In der Europäischen Volkspartei hat sie den Status einer Beobachterin (siehe Kasten unten) im EU-Parlament. Doch sie will assoziiertes Mitglied werden und damit Stimmrecht erhalten.

"Bisher war immer klar, dass ein Land, das die Beitrittsverhandlungen begonnen hat, auch assoziiertes Mitglied werden darf", erläutert EVP-Vizepräsident Othmar Karas. Alles andere sei bisher kein Thema gewesen. Für die deutsche CSU allerdings schon. Ihr Parteivorstand hat sich einstimmig gegen eine Aufnahme der AKP ausgesprochen. "Wir halten einen EU-Beitritt der Türkei für falsch", begründete CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber. Daher wäre die Einbindung der Partei Erdogans in der EVP ein falsches Signal.