Die Zeit online, 30.12.1999

Todesurteil gegen PKK-Chef Öcalan bestätigt - Ankara berät bald über Folgen von Straßburger Entscheidung

Die türkische Generalstaatsanwaltschaft hat eine Überprüfung des Todesurteils gegen den Kurdenführer Abdullah Öcalan abgelehnt. Mit der Entscheidung von Generalstaatsanwalt Vural Savas ist der Rechtsweg für den Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei erschöpft. Öcalans Anwälte hatten jedoch bereits zuvor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit kündigte am Donnerstag an, die Regierung werde Anfang des Jahres darüber entscheiden, ob sie einem Urteil der Straßburger Richter Folge leisten wird. Die noch ausstehende Entscheidung des Menschenrechts-Gerichtshofs ist nicht bindend.

Öcalan war im Juni wegen Hochverrats und Separatismus zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsgericht in Ankara bestätigte das Urteil im November. Die türkische Regierung hat sich jedoch bereit erklärt, die Vollstreckung bis zur Entscheidung des Straßburger Gerichtshofs auszusetzen. Regierungschef Ecevit betonte am Donnerstag, Anfang kommenden Jahres werde er mit den Koalitionsparteien darüber beraten, ob Ankara die noch ausstehende Entscheidung des Gerichtshofs umsetzen werde. Anschließend solle das Kabinett über die Haltung der Koalition informiert werden.

Die endgültige Entscheidung über Öcalans Schicksal wird in der Hand des türkischen Präsidenten Süleyman Demirel und des Parlaments liegen. Sie müssen darüber befinden, ob sie auf der Umsetzung des Todesurteils bestehen. Bis zur Entscheidung der Straßburger Richter können voraussichtlich bis zu zwei Jahre vergehen. Dabei geht es um die Frage, ob die Türkei mit der Festnahme des PKK-Chefs im Februar in Kenia, seiner Verschleppung auf die Gefangeneninsel Imrali bei Istanbul sowie mit dem Prozess gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat.

Öcalans Anwalt Ercan Kanar betonte, die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft komme nicht überraschend. Savas habe sich kaum Zeit genommen, die Akten zu studieren. Savas erklärte, er habe keine Fehler bei der Verhängung oder der Bestätigung des Todesurteils durch das Gericht gefunden.