Rheinpfalz, 29.12.99

Angst vor dem Unfrieden

Nach abgelehntem Asylantrag droht verfolgter Familie Gök die Abschiebung

Vecheddin Gök wünscht sich nichts mehr, als mit seiner Familie zurück in seine Heimat zu dürfen. Trotzdem hat der kurdische Flüchtling Angst vor einem Brief der Ausländerbehörde Speyer, in dem eben diese Heimreise angekündigt würde - der Brief wäre nämlich nichts anderes als eine angedrohte Abschiebung.

Seit drei Jahren wohnt der 29-jährige Vater dreier Kinder mit seiner Frau Fatima im Flüchtlingswohnheim des Caritasverbands im Dekanat Speyer - zu fünft im 30-Quadratmeter-Zimmer mit Kochnische und kleinem Bad. Inzwischen ist das im September gefällte Urteil über seinen Asylantrag rechtskräftig: abgelehnt. Er und seine Familie, die von einem Ort nahe der syrischen Grenze flohen, müssen zurück. Es gebe in der Türkei keine Gruppenverfolgung von Kurden, heißt es in der Begründung. Außerdem stehe es kurdischen Familien frei, in Istanbuls Vororten Zuflucht zu suchen. "Da mangelt es einfach am politischen Willen, die Situation in der Türkei so zu sehen, wie sie wirklich ist", erregt sich Joachim Mergen über die seiner Meinung nach unmenschliche Vorgehensweise der Gerichte, die nur auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes in Berlin zurückgriffen statt selbst zu recherchieren. Nun hofft der Referent für Migrationsfragen beim Caritasverband ebenso wie der Leiter des Flüchtlingswohnheimes, Wolfgang Häberle, dass ein weiteres Verfahren zum erwünschten Erfolg führt: zur dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung für die Familie Gök. Tatsächlich klingt die Geschichte des Familienvaters und bekennenden PKK-Anhängers nach höchster Alarmstufe. Vecheddin Gök sei nicht aktiv im kurdischen Widerstand aktiv gewesen, sondern habe als Versorgungsmann eher logistische Aufgaben gehabt, erzählt Häberle, was er und ein Kollege in mühevoller Recherche- und Übersetzungsarbeit von Vecheddin Gök erfahren haben. Bereits im Sommer 1994 sei Gök zum ersten Mal festgenommen worden. Zehn Tage lang sei er brutalst gefoltert worden. Im August 1996 habe er sich erneut mit vier PKK-Anhängern getroffen, auf einem seiner Felder. Plötzlich seien 40 bis 60 Soldaten gekommen. Drei der Männer hätten fliehen können, darunter auch Gök. Er sei sofort über Istanbul nach Deutschland geflohen und habe es geschafft, seine Familie ebenfalls hierher zu holen. Bei einer Rückkehr in die Türkei riskiere der Kurde, der auch im Exil weiter im Widerstand tätig ist, sein Leben. Mit einem Gutachten des Psychosozialen Zentrums für ausländische Flüchtlinge in Frankfurt will Häberle jetzt das zweite Asylverfahren einleiten. Dort würden vor allem traumatisierte Folteropfer behandelt. Auch jetzt noch reagierten Gök und seine Frau sehr angsterfüllt auf Lärm, Polizei und Ereignisse, die sie an die erlebten Situationen erinnerten. Mit Unbehagen sieht Fatima auch dem Feuerwerk an Silvester entgegen, für das sich ihre Söhne Raketen kaufen wollen. Die beiden sprechen inzwischen perfekt Deutsch, möchten in Speyer bleiben, weil hier Frieden ist und kein Krieg. Für ihren Vater sind das harte Worte, denn Frieden sehnt er sich auch herbei - aber eben vor allem in seiner Heimat. (cao)