AP 25.12.1999 13:22

Demirel sieht in Öcalan-Entscheidung Gefahr für EU-Beitritt

Präsident weist Parlament auf «höchste Interessen der Türkei» hin

Ankara (AP)

Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel hat das Parlament in Ankara aufgerufen, bei der Entscheidung über eine mögliche Hinrichtung von Kurdenführer Abdullah Öcalan mögliche Nachteile für die Aufnahme der Türkei in die EU zu bedenken. Die Abgeordneten sollten «die höchsten Interessen der Türkei» nicht aus den Augen verlieren, sagte Demirel im Samstag. Eine Entscheidung für die Vollstreckung des Todesurteils gegen Öcalan könne die Aussichten des Landes auf eine baldige Mitgliedschaft in der Europäischen Union zurückwerfen.

Man müsse sich von der Vernunft und nicht den Gefühlen leiten lassen, sagte Demirel bei einer Pressekonferenz zum Jahresende. Es liege in der Hand der Türkei, die notwendigen demokratischen und wirtschaftlichen Richtlinien für die EU-Mitgliedschaft zu schaffen. Brüssel hat der Türkei vor zwei Wochen den Status eines Beitrittskandidaten gewährt. Das Land bemüht sich seit 1963 um die Aufnahme in die Union. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung befürwortet die Hinrichtung Öcalans.

Der Oberbefehlshaber der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) war im Juni wegen Hochverrats und Separatismus zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsgericht bestätigte den Schuldspruch später, woraufhin Öcalans Anwälte bei der Oberstaatsanwaltschaft und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erneut Berufung einlegten. Dabei handelt es sich um den letzten Rechtsweg, bevor das Parlament und schließlich der Präsident über die Vollstreckung des Urteils entscheiden. Öcalan sitzt auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer ein.