Frankfurter Rundschau, 23.12.99

Deutsche Waffen sollen Käufern nicht zur Repression dienen

Rot-grüne Regierung legt die neuen Rüstungsexport-Richtlinien fest / Menschenrechte und Entwicklung wichtige Kriterien

Von unserem Korrespondenten

Bei der Genehmigung deutscher Rüstungsexporte müssen künftig die Menschenrechte im Empfängerland besonders beachtet werden. Dieser Grundsatz wird in den überarbeiteten Richtlinien der Bundesregierung herausgestellt.

hll BERLIN, 22. Dezember. Die Richtlinien wurden am Mittwoch vom Bundeskanzler, den beteiligten Ministerien und der rot-grünen Koalition "im Konsens gebilligt", aber noch nicht im Wortlaut veröffentlicht. Wenn Kriegswaffen vom Käufer zu systematischen Menschenrechtsverletzungen und Repressionen missbraucht werden können, dürfen Ausfuhren nicht genehmigt werden. Außerdem will die Regierung darauf achten, dass die Entwicklung eines Landes nicht durch unverhältnismäßig hohe Rüstungsausgaben gestört wird. Diese neuen Richtlinien waren nach einem Koalitionsstreit über die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei von einer Expertenrunde ausgearbeitet worden. Ihr gehörten unter der Leitung des außenpolitischen Kanzlerberaters Michael Steiner die Staatssekretäre von sieben Bundesministerien sowie die Bundestagsabgeordneten Gernot Erler (SPD) und Claudia Roth (Grüne) an. Das von ihnen ausgehandelte Ergebnis wurde von allen Ministern, die dem Bundessicherheitsrat - dem für die Genehmigung von Rüstungsausfuhren zuständigen Regierungsgremium - angehören, "akzeptiert", sagte Steiner. Das Bundeswirtschaftsministerium stimmte, wie die FR erfuhr, nur zögernd zu. Es wollte dem Kriterium Menschenrechte keinen so hohen Rang einräumen.

Die Beachtung der Menschenrechte hat nun - anders als in den bisherigen Richtlinien von 1982 und als in einer verworfenen Fassung vom Sommer 1999 - besonderes Gewicht. Grundlage der Beurteilung der Menschenrechtslage in einem Land, das Waffen kaufen will, sollen nicht nur eigene Einschätzungen sein, sondern auch Urteile internationaler Institutionen und von Menschenrechtsorganisationen.

Ein zwischen verschiedenen Ministerien sowie zwischen SPD und Grünen umstrittener Punkt wurde in der Form eines Kompromisses geregelt: Internationale Rüstungskooperationen werden nach wie vor als vorrangiges deutsches Interesse befürwortet, aber die Bundesregierung behält sich Einwirkungsmöglichkeiten vor. Kooperationspartner bei der Waffenproduktion sollen auf die rüstungspolitischen Ziele Deutschlands, also auch auf die Beachtung von Menschenrechten und Entwicklungschancen, ausdrücklich hingewiesen werden. Wenn mit deutschen Teilen hergestellte Waffen in ein Land exportiert werden, das sie zu Menschenrechtsverletzungen einsetzen könnte, kann Berlin Einwände erheben. SPD-Unterhändler Erler nannte die neuen Grundsätze einen "Orientierungsrahmen". Das Menschenrechtskriterium sei "präzise und verbindlich formuliert". Die Balance zwischen dem Interesse an Rüstungskooperationen und humanitären Interessen sei gewahrt. Die Grünen-Abgeordnete Roth, Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte, sagte: "Dies sind keine grünen Richtlinien, sondern ist ein Kompromiss." Sie hätte sich "noch deutlich schärfere Aussagen gewünscht". Steiner legte Wert darauf, das Interesse von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zu verdeutlichen, dass "Rüstungskooperationen der deutschen Industrie nicht beeinträchtigt werden" und in abgeschlossene Verträge nicht eingegrifffen wird. Außerdem bleibe trotz des neuen "zentralen Kriteriums" der Menschenrechte ein "Ermessensspielraum".