HANDELSBLATT, 22.12.99

Menschenrechtsverbesserungen bescheinigt

Scharping ermuntert Türkei zu weiteren Reformanstrengungen

dpa ANKARA. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat der Türkei Fortschritte in dem Schutz der Menschenrechte bescheinigt und Ankara zu weiteren Reformen in Richtung mehr Demokratie aufgerufen. Zum Abschluss seines zweitägigen Türkei- Besuchs erklärte Scharping am Dienstag: "Der Weg ist begonnen. Wir wollen aber nicht den Eindruck erwecken, wir seien am Ziel."

Er bezog sich damit auf die Entscheidung des Europäischen Rates in Helsinki vor zehn Tagen, die der Türkei den Status eines Beitrittkandidaten zur Europäischen Union eingeräumt hatte. Zu der Frage des umstrittenen Exports von Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 brachte der erste Besuch eines deutschen Verteidigungsministers keine neuen Erkenntnisse.

Panzerlieferung bleibt weiter an Menschenrechtsprüfung gekoppelt

Scharping erklärte, dass die türkische Seite angesichts der noch nicht abgeschlossenen Tests noch keine Entscheidung getroffen habe, welches Fabrikat sie anschaffen wolle. Aus der deutschen Delegation verlautete aber, dass vor allem der türkische Militärführung nach wie vor die Einfuhr des Leopard 2 bevorzugen würde. Scharping wiederholte die Entscheidung der Bundesregierung vom Oktober, die endgültige Entscheidung über die Lieferung der 1 000 Panzer vom "nachprüfbaren Fortschritten" in der Menschenrechtsfrage abhängig zu machen. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung sagte Scharping, er habe volles Vertrauen, dass die türkische Führung unter Ministerpräsident Bülent Ecevit das Ziel habe, die Demokratie weiter zu entwickeln. Dies gelte auch für die Achtung der Menschenrechte, die "zum selbstverständlichen europäischen Standard gehören." Scharping hatte am Dienstag unter anderem Staatspräsident Süleyman Demirel getroffen und zuvor an dem Mausoleum für den türkischen Staatsgründer Kemal Atatürk einen Kranz niedergelegt.

Auf seiner Reise hatte Scharping zuvor auch die Sorge geäußert, dass sich der Tschetschenien-Krieg ausweiten könnte. Er hatte darauf hingewiesen, dass die russischen Truppen auch die Grenze zwischen Georgien und Tschetschenien abriegelten und dazu Truppen, die noch in Georgien stationiert sind, benutzen könnten. Auch die Regierung der Türkei, die eine gemeinsame Grenze mit Georgien hat, schloss sich den Befürchtungen an.

Auf die umstrittene Lieferung des Leopard 2-Panzers angesprochen, wollte Scharping während seines Aufenthalts keine Prognose abgeben, wie die Entscheidung der Bundesregierung in rund einem Jahr aussehen könne. Die Entscheidung des Bundessicherheitsrates vom Oktober, einen Testpanzer des Typs an die Türkei zu liefern, hatte erhebliche Spannungen in der rot-grünen Bundesregierung ausgelöst.