Frankfurter Rundschau, 21.12.99

Ankaras EU-Hoffnung gedämpft

Scharping: Türkei entspricht nicht europäischen Standards

Von Axel Vornbäumen

ANKARA, 20. Dezember. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat die Erwartungen der Türkei gedämpft, rasch Vollmitglied in der Europäischen Union (EU) zu werden. Zu Beginn eines zweitägigen Besuchs in Ankara sagte Scharping, die Türkei sei "in Sachen Demokratie und Menschenrechte" zwar deutlich weiter als andere Staaten in dieser Region, jedoch "noch kein Land, das europäischen Standards entspricht". Scharping, der am Montag den türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit und Verteidigungsminister Sebahattin Cakmakoglu traf, attestierte der Türkei jedoch eine "europäische Perspektive". Diese sei "glaubwürdig" durch die Entscheidung der EU untermauert worden, der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zu gewähren. Er betonte, dass der Türkei auch im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität ein "unverändertes Maß an Kooperation" offen stehe. Scharping erinnerte daran, dass die EU der Türkei noch vor zwei Jahren auf ihrem Gipfel in Luxemburg den Kandidatenstatus verwehrt hatte. Seit dieser Zeit habe sich in der Türkei vieles getan. Exemplarisch nannte Scharping die Verabschiedung einer Amnestie für jene, die wegen so genannter Meinungsdelikte verurteilt worden waren sowie die Ersetzung von Militärrichtern durch Zivilrichter. Der Bundesverteidigungsminister wich der Frage aus, ob die Neufassung der deutschen Rüstungsexport-Richtlinien das avisierte Panzer-Geschäft mit Ankara berühren und seine Visite überlagern werde. Die Türkei, die mit einem 150-Milliarden-Dollar-Programm in den nächsten 30 Jahren ihr Militär neu ausrüsten will, möchte im Sommer 2001 darüber entscheiden, ob sie 1000 deutsche Panzer vom Typ Leopard-2 bestellt. "Ich glaube nicht, dass meine türkischen Gesprächspartner mir signalisieren wollen, sie hätten die Entscheidung schon getroffen", sagte Scharping vor Beginn seines Besuchs. Sein Amtskollege Cakmakoglu äußerte "Unverständnis" darüber, dass in Deutschland die etwaige Panzer-Lieferung in Zusammenhang mit Menschenrechtsfragen gebracht werde. Die Türken besäßen bereits Leopard-Panzer - es handele sich also, so Cakmakoglu, lediglich um die "Modernisierung des Inventars".