Die Welt, 21.12.99

Koalition einigt sich über neue Rüstungsexport-Richtlinien

Neuer Streit um die Lieferung von Kampfhubschraubern an die Türkei

Ankara/Berlin - Nach ihrem heftigen Streit um die Lieferung eines Leopard-2-Testpanzers an die Türkei hat sich die rot-grüne Regierungskoalition gestern auf neue Rüstungsexport-Richtlinien geeinigt. Nach Aussage der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, wird der Einhaltung der Menschenrechte in den Empfängerländern nun größeres Gewicht eingeräumt. Das Bundeskabinett wird nach Aussage von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) aller Voraussicht nach noch an diesem Mittwoch die neuen Richtlinien verabschieden und damit den grundsätzlichen Dissens begraben. Beer sagte, es habe aus ihrer Sicht eine deutliche Verbesserung in den neuen Richtlinien gegeben. Die Menschenrechte würden in jedem Abschnitt des Dokuments angesprochen und nicht mehr nur in der Präambel. Nach ihrer Darstellung wird die Frage der Menschenrechte aber nach wie vor im Hinblick auf das konkrete Produkt und dessen Einsetzbarkeit zu prüfen sein. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte dagegen berichtet, dass die Entscheidung grundsätzlich an die Lage der Menschenrechte im Empfängerland gekoppelt werden solle. Dies hätte zum Beispiel auch die Ausfuhr von Kriegsschiffen in die Türkei ausgeschlossen, obwohl diese Kriegsschiffe von dem türkischen Militär ihrer Natur nach nicht zur Bekämpfung von kurdischen Minderheiten benutzt werden können. Nach Aussage von Beer findet sich in den neuen Richtlinien aber nach wie vor keine parlamentarische Kontrolle der Rüstungsexportentscheidungen des Bundessicherheitsrates. Unterdessen bahnt sich in der Koalition ein weiterer Streit an. Beer kritisierte, dass nach Presseberichten die Bundesregierung beziehungsweise das Bundesausfuhramt als nachgeordnete Behörde der Ausfuhr eines Testhubschraubers vom Typ Tiger in die Türkei zugestimmt habe. Beer sagte, dies wäre ein Vorgang, der einen neuen Streit entfachen könne. Die Türkei ist an der Lieferung von 145 Exemplaren interessiert. Scharping wies darauf hin, dass die Bundesregierung bisher keine Entscheidung über den Export der Kampfhubschrauber aus deutsch-französischer Gemeinschaftsproduktion in die Türkei getroffen habe. Ihm sei auch nichts von Exportanträgen bekannt. Die Türkei habe jedoch einen Tiger-Hubschrauber zur Erprobung erhalten. Das mehrheitlich französische Herstellerunternehmen Eurocopter kann nach einem Staatsvertrag zwischen Paris und Bonn von 1972 nach französischen Bedingungen exportieren. Erst wenn Frankreich die Bundesregierung wegen des Tiger-Exports konsultiere, werde sich die Bundesregierung eine Meinung bilden. DW