Frankfurter Rundschau, 21.12.99

Menschenrechte werden Maßstab

Koalition einigt sich auf Kriterien für Rüstungsexporte

Von Helmut Lölhöffel

BONN, 20. Dezember. Die neuen Richtlinien der Bundesregierung für Waffenexporte binden künftige Lieferungen streng an die Einhaltung der Menschenrechte in den Empfängerländern. Der Entwurf der Ausfuhrrichtlinie, der am Montag nach mehreren Verhandlungsrunden von Fachleuten der rot-grünen Koalition in seine endgültige Form gebracht wurde, enthält nach Angaben von Koalitionsmitgliedern jetzt "eindeutige Bestimmungen". Auf die Frage, ob mit der neuen Fassung beispielsweise die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Türkei unmöglich wäre, wurden allerdings gegensätzliche Einschätzungen gegeben. Am Mittwoch will sich das Bundeskabinett in seiner letzten Sitzung dieses Jahres mit den neuen Richtlinien befassen. Die Staatssekretäre der Ministerien für Wirtschaft, Äußeres, Verteidigung und Entwicklung, ferner die Abgeordneten Gernot Erler (SPD) und Angelika Beer (Grüne) sowie der Kanzlerberater Michael Steiner haben in zähen Verhandlungen einen früheren Entwurf überarbeitet. Der jetzt vorliegenden Endfassung, die noch nicht veröffentlicht wurde, haben offenbar alle Beteiligten zugestimmt. Bis zuletzt waren Einwände aus dem Bundeswirtschaftsministerium gekommen. Im Herbst hatte es eine dramatische Auseinandersetzung innerhalb der Koalition wegen der Entscheidung des für Rüstungsexporte zuständigen Bundessicherheitsrates gegeben, einen Panzer zum Testen an die Türkei zu liefern. Daraufhin wurde ein Beschluss über die gerade neu gefassten Richtlinien für Rüstungsexporte mehrmals verschoben; am Ende wurde die Expertengruppe gebildet. Diese hat, wie Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und die Grünen-Politikerin Beer bestätigten, den Auftrag ausgeführt. Demnach soll jetzt das Exportkriterium Menschenrechte nicht nur wie bisher in der Präambel vorkommen, sondern an mehreren Stellen erwähnt sein. Diese Verdeutlichung sei ein erheblicher Fortschritt, sagen die Reformer. Beer bemängelte aber, wie die Agenturen ergänzend berichten, dass es nach wie vor keine parlamentarische Kontrolle der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates gebe. Auch seien nach wie vor Kampfabstimmungen in diesem Gremium möglich. In beiden Fragen konnten sich die Grünen offenbar nicht durchsetzen.