taz, 21.12.1999 Seite 15 LeserInnenbriefe

Blick auf das eigentliche Thema getrübt

betr.: "Politisch verheerend", taz vom 10. 12. 99, Leserinnenbrief von Ulla Jelpke, MdB, taz vom 15. 12. 99

Sehr geehrte Frau Jelpke, politisch verheerend ist Ihre ethnische Brille, mit der Sie den Kommentar von Eberhard Seidel gelesen haben. Ihr Engagement für die Kurden ist allgemein bekannt, doch das hat Ihren Blick auf das eigentliche Thema getrübt - die Frage der Gestaltung des Einwanderungslandes Deutschland im Konsens aller. Dazu gehört unter anderem auch das gemeinsame Ringen um ein Antidiskriminierungsgesetz, die Frage des muttersprachlichen Unterrichts und die Widerspiegelung der multiethnischen Realität in allen gesellschaftspolitischen Bereichen dieses Landes. Der Weg ist das Ziel, und deshalb ist die Diskussion um den richtigen Weg zur Durchsetzung legitimer Forderungen nicht nur der Kurden auch die eigentliche Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen. Die Kampagne der Kurden um ihre Anerkennung als nationale Minderheit in Deutschland ist es jedoch, die ein ethnisch homogenes Verständnis des Begriffes Nation impliziert und damit konform geht mit analogen Forderungen nationalistischer Kreise der türkischen Community in Deutschland. Die Debatte um die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts hat uns doch deutlich vor Augen geführt, wie notwendig es ist, um ein neues Selbstverständnis der Definition "Was ist deutsch?" zu ringen. Der Abwehr dieser Neufindung unseres Selbstverständnisse durch die "Sauerkraut und Lederhosen"-Unterschriftenkampagne der CDU/CSU können wir doch nun nicht die gleiche Abwehr nur mit anderem ethnischen Vorzeichen entgegensetzen. Insofern hoffe ich, dass diese Kampagne der Kurdischen Gemeinden keine Nachahmer finden wird und appelliere an die Organisatoren, ihre Entscheidungen auch im Interesse der deutschen Kurden nochmals zu überprüfen.

Claudia Dantschke, stellv. Chefredakteurin, AYPA-TV, Deutsch-Türkisches Fernsehen Berlin