junge Welt, 20.12.1999

Widerstand gegen Isolationshaft in Hamburg

Anhänger der türkischen DHKP-C im Hungerstreik

Der von der Staatsschutzkammer am Hamburger Oberlandesgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Anhänger der marxistischen DHKP-C aus der Türkei, Ilhan Yelkuvan, befindet sich seit 30. November im unbefristeten Hungerstreik. Damit will er unter anderem die Aufhebung der Isolationshaft durchsetzen. Seit über einem Jahr gängeln der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer, Albrecht Mentz, und die Gefängnisleitung den türkischen Linken mit einer ganzen Reihe von Sonderhaftbedingungen.

Yelkuvan befindet sich 23 Stunden am Tag in totaler Isolation ohne jeden sozialen Kontakt. Er erhält nur Einzelhofgang, alle Formen sportlicher Betätigung sind ihm untersagt. Als Folge leidet der 33jährige unter Schwindelanfällen und heftigem Ohrensausen. Die Versuche der Rechtsanwälte des Inhaftierten, die Situation ihres Mandanten auf dem Antragsweg zu verbessern, sind gescheitert. Yelkuvan ist selbst der ansonsten in Gefängnissen völlig übliche Einkauf zum Beispiel von Lebensmitteln verboten. Die Zustellung von Briefen dauert bis zu 20 Tage, einige Zeitschriften werden trotz vorheriger Genehmigung nicht ausgehändigt.

Mittlerweile haben sich in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Frankreich und Belgien, mehr als 15 inhaftierte Anhänger der DHKP-C dem Hungerstreik angeschlossen, um die Forderungen ihres Genossen zu unterstützen. Und in Hamburg befindet sich seit letzten Mittwoch außerhalb des Gefängnisses eine fünfköpfige Gruppe von Frauen und Männern im Solidaritätshungerstreik, darunter der stellvertretende Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt Hannover, Santiago Gonzalez. »Ich will damit auch gegen die Diskriminierung und Verfolgung ausländischer Organisationen in Deutschland protestieren«, begründete dieser seine Teilnahme gegenüber junge Welt. Für den Spanier ist das Verbot und die Verfolgung der DHKP-C »ein Versuch, politischen Widerstand von Migranten zu kriminalisieren«.

Beobachter aus der Solidaritätsbewegung mit der DHKP-C erwarten, daß der als entschlossen eingeschätzte Ilhan Yelkuvan seinen Hungerstreik nicht abbricht, bevor seine Forderungen nach Verbesserung der Haftbedingungen erfüllt sind. Grotesk mutet indes die offizielle Begründung der Staatsschutzjustiz für die Isolationshaft an. Da wird behauptet, man wolle Yelkuvan damit vor möglichen Anschlägen durch Anhänger des mit der DHKP-C verfeindeten Yagan- Flügels schützen. »Das ist eine vorgeschobene Begründung«, meint der Anwalt des Hungerstreikenden, Eberhard Schultz aus Bremen.

Denn bereits Ende 1998 hatte die DHKP-C öffentlich ihren Gewaltverzicht gegenüber der Yagan-Gruppe erklärt. Danach waren die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Flügeln, die auf beiden Seiten Tote und Verletzte gefordert hatten, eingestellt worden.

Jörg Hilbert