Süddeutsche Zeitung, 20.12.1999

Höhere Hürden für Waffenexporte

Bundeskabinett entscheidet am Mittwoch über neue Richtlinien

Wenn sich das Bundeskabinett an diesem Mittwoch in Berlin das letzte Mal in diesem Jahr trifft, dann dürfte ein Thema von höchster Brisanz auf den Tisch kommen. Dienstag vergangener Woche traf sich zum vierten und abschließenden Mal der vorbereitende Ausschuss zur Erarbeitung der neuen Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung. Das Gremium war nach der Koalitionskrise um den Kampfpanzer Leopard 2 für die Türkei eingerichtet worden. Beteiligt waren Staatssekretäre aus den Ministerien Wirtschaft, Verteidigung, Entwicklung und dem Auswärtigen Amt, sowie je ein Entsandter aus den Koalitionsfraktionen und der außenpolitische Kanzlerberater Michael Steiner.

Steiner hatte federführend einen Entwurf in die Diskussion des geheim tagenden Gremiums eingebracht, um den dann gerungen wurde. Nach SZ-Informationen werden die neuen Richtlinien restriktiver sein als bisher. Umstritten waren vor allem die Fragen: Wie wird mit den Menschenrechten umgegangen? Was wird gesagt zum Endverbleib von Waffensystemen, die über andere Länder exportiert werden, und was zum Vorgehen bei Rüstungskooperationen mit anderen Staaten? Man sei bei allen Punkten vorangekommen, heißt es. In der Frage der Menschenrechte, ist zu hören, soll eine belastbare Formulierung gefunden worden sein, die einen Export nicht an das jeweilige Produkt und dessen Einsetzbarkeit, sondern grundsätzlich an die Lage der Menschenrechte im Empfängerland koppelt.

Der Entwurf wird vor der Kabinettssitzung wie ein rohes Ei behandelt. Denn ihm könnte noch Gefahr drohen. Bisher wurde der Text auf der Ebene der Staatssekretäre verhandelt, von den Ministern ist er noch nicht abgesegnet. Vor allem von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) wird Widerstand erwartet. Zufrieden seien das Auswärtige Amt und Joschka Fischer (Grüne), heißt es.

Dabei steht die nächste Belastungsprobe für die Koalition beim Thema Rüstungsexporte bereits an. Industriekreise rechnen damit, dass sich die Türkei Mitte 2000 dazu entschließt, 145 hochmoderne Kampfhubschrauber vom Typ Tiger zu bestellen. Der Tiger ist ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt des Firmenkonsortiums Eurocopter, bei dem Frankreich die Systemführerschaft hat. Es handelt sich um einen mehr als 250 Stundenkilometer schnellen, bewaffneten Kampfhubschrauber, vergleichbar den amerikanischen Typen Apache und Cobra.

In einem regierungsinternen Papier heißt es, über die Lieferung eines Testhubschraubers (wie beim Leopard 2) lägen keine Informationen vor. Eurocopter verfüge aber mit Datum vom 6. Juli dieses Jahres über eine Exportgenehmigung des Bundesausfuhramtes. Dies berge "viel politische Brisanz", heißt es. Es werde nur schwer zu vermitteln sein, "wieso ein Kampfhubschrauber wie der Tiger keine Kriegswaffe sein soll, nur weil das System nicht auf der Kriegswaffenliste steht". Die Diskussion könnte an Brisanz gewinnen, weil ein Kampfhubschrauber im Vergleich zum Kampfpanzer ungleich besser gegen "Einzelziele gerade auch in unwegsamen Geländeabschnitten" einsetzbar sei. Abschließend heißt es: "Nach den vorliegenden Verträgen kann Deutschland einen etwaigen künftigen Export zum Beispiel in die Türkei nicht verhindern."

Christoph Schwennicke