junge Welt, 18.12.1999

Todesurteil gegen Studenten

Iran: Verfahren nach Bericht im »Economist«. Solidaritätskampagne gestartet

Ahmed Batabi ist jetzt in Iran zum Tode verurteilt worden. Der Teheraner Student war am 13. Juli dieses Jahres zum internationalen Symbol des tagelangen spontanen Aufstandes der Studenten in der Hauptstadt und anderen iranischen Städten geworden. Das hatte er, zweifellos unbeabsichtigt, der Tatsache zu verdanken, daß er das blutgetränkte T-Shirt eines von Sicherheitskräften des Regimes zusammengeschossenen Kommilitonen hochhaltend, an diesem Tag auf dem Titelbild des Londoner »Economist« erschien. Ein islamisches Gericht hat ihn nun verurteilt. Dieses Urteil, gegen das die Familie Batabis beim Obersten Islamischen Gerichtshof in Revision gegangen ist, muß als Bestandteil des Gegenangriffes der harten Fraktion des Regimes um Revolutionsführer Khamenei verstanden werden.

Das Islamische Gericht hatte das blutige T-Shirt als »Emblem der Revolution« bezeichnet. Die Eltern und Freunde von Ahmed Batabi haben den »Economist« scharf kritisiert. Sie betonten, daß das Foto ohne Erlaubnis des Abgebildeten erschienen sei und daß die Zeitschrift, nur um ihre Auflage zu steigern, keinerlei Gedanken daran verschwendet habe, was diese Veröffentlichung für den Studenten im Iran für Folgen haben kann. Der »Economist« habe darüber hinaus darauf verzichtet, das Todesurteil deutlich zu kritisieren und zwar deshalb, weil ihm die lukrativen Geschäftsverbindungen zwischen Iran und Großbritannien wichtiger seien. Iranische Exilkräfte bemühen sich zur Zeit darum, eine Solidaritätskampagne zu organisieren. Sie rufen beispielsweise dazu auf, sich an den »Economist« zu wenden und von der Zeitschrift zu fordern, sich bei der britischen Regierung dafür einzusetzen, daß diese ihren Einfluß geltend mache, damit das Todesurteil aufgehoben werde.

Auch andere iranische Oppositionskräfte sind in jüngster Zeit Opfer verantwortungsloser Berichterstattung geworden. So erschien Ende November in der »taz« ein Artikel, in dem unter Verweis auf die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA behauptet wurde, die Organisation der Volksmudschahedin habe in Ahwaz vor der Universität eine Bombe gelegt und zwei Menschen getötet. Das Büro der Volksmudschahedin in Köln habe den Angriff bestätigt. In Wirklichkeit jedoch hatte das Büro von einem Mörserangriff auf die Geheimdienstzentrale in Ahwaz gesprochen und ausdrücklich dementiert, zivile Ziele angegriffen zu haben. Ihre eigene Darstellung konnte sie mit einer Reihe von Berichten aus offiziellen iranischen Quellen stützen.

Anton Holberg