yahoo, 16. Dezember 1999, 17:47 Uhr

Entscheidungen des EU-Gipfels umstritten

Die in Helsinki beschlossene Anerkennung der Türkei als EU-Beitrittskandidat hat im Bundestag zu einer heftigen Debatte geführt. Während die Bundesregierung den Beschluss vehement verteidigte, erklärte die Union, bei der Türkei würden falsche Erwartungen geweckt. Sie könne die Kriterien für einen Beitritt in absehbarer Zeit überhaupt nicht erfüllen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer bezeichneten die Ergebnisse des Gipfels als "historisch". In seiner Regierungserklärung betonte Schröder, die Ende vergangener Woche gefallenen Entscheidungen seien von erheblicher Tragweite. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck erklärte, in Finnland sei ein "Stück Europageschichte" geschrieben worden.

Der CDU-Vorsitzende Wolfgang warnte dagegen grundsätzlich vor den Gefahren einer Erweiterung. Diese sei "eine Riesenaufgabe", die mit den Menschen intensiv diskutiert werden müsse. Schäuble kritisierte, dass die Diskussion um die Einbeziehung der Türkei so in den Mittelpunkt gerückt worden sei. "Das ist eine wichtige Frage, aber nicht die zentrale Frage der europäischen Einigung", sagte er. Die Konsequenzen einer Ausweitung der EU von gegenwärtig 15 auf möglicherweise 28 Mitglieder seien noch zu wenig bedacht worden.

Schröder verteidigte die Verleihung des Kandidatenstatus an die Türkei. Allerdings werde ihr Beitritt nicht automatisch erfolgen. Daran sei nur zu denken, wenn das Land die politischen Kriterien "samt und sonders" erfülle, sagte Schröder. Als Kriterien nannte der Kanzler Demokratisierung, Einhaltung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz. Daran könnten "keinerlei Abstriche" gemacht werden.

In Helsinki war die Anerkennung der Türkei als EU-Beitrittskandidat und die deutliche Ausweitung des Bewerberkreises beschlossen worden. Nach den Entscheidungen des EU-Gipfels kann die Gemeinschaft schon bis 2010 von jetzt 15 auf bis zu 28 Mitglieder wachsen.