taz, 15.12.1999

50 Jahre Hermes-Bürgschaften - ein Jubiläum für die Grünen

Lethargie und Hyperaktivität

50 Jahre schon hilft der Steuerzahler mit Hermes-Bürgschaften, wenn riskante Exportgeschäfte platzen - etwa wegen Devisenknappheit oder eines Bürgerkriegs im Empfängerland. Es geht um Aufträge in Milliardenhöhe, es geht um Arbeitsplätze - was Wunder, dass die Industriemanager und der Wirtschaftsminister Müller gern den Jahrestag begehen.

Einige kleinere Jubiläen darf aber auch Müllers Koalitionspartner, die Grünen, notieren. Bereits am 8. Oktober jährte sich zum zweiten Mal der Tag, da die damalige grüne Opposition im Bundestag eine Hermes-Reform beantragte. Schluss mit umweltschädlichen Großprojekten, verlangten sie. Keine Rüstungsexporte mehr versichern! Keine Deckung von Geschäften, die Entwicklungsländer tiefer in die Schuldenfalle rutschen lassen! Vor allem aber sollten die Bürgschaften nicht mehr nur in einem Ausschuss ministerieller Geheimniskrämer vergeben werden, frei von parlamentarischer öffentlicher Kontrolle.

Diese Reform schrieben die Grünen sogar in die Koalitionsvereinbarung - das war vor einem Jahr. Was daraus geworden ist? Nichts. Seit einem Jahr vertrauen grüne Abgeordnete darauf, dass sich ausgerechnet der Wirtschaftsminister um eine Reform kümmert. Aber der verkündete gestern programmgemäß, wie prächtig Hermes schon immer gewirkt hat und dass es so auch weitergehen soll. Die Grünen schweigen - herzlichen Glückwunsch.

Man könnte hoffen, dass wenigstens die Förderung folgenschwerer Projekte gekippt wird, wenn sich schon grundsätzlich nichts ändert - schließlich darf neben Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungsministerium auch Joschka Fischers Auswärtiges Amt bei der Vergabe der Bürgschaften mitreden.

Doch auch hier sieht es nicht nach einem Sinneswandel aus: Deutsche Firmen dürfen weiter Hermes-versichert am Drei-Schluchten-Staudamm in China mitbauen, für den 1,8 Millionen Menschen umgesiedelt werden müssen. Zum türkischen Projekt Illisu-Staudamm, durch den Ankara den Nachbarstaaten Syrien und Irak das Wasser des Tigris abdrehen könnte, ist von Fischer kein klares Wort zu hören - obwohl auf jedem zweiten Kongress von Wasser als Machtinstrument in Konflikten die Rede ist.

Jedoch: Wenn sich Basis und Abgeordnete der Grünen einmal an einer symbolträchtigen Hermes-Bürgschaft festhaken, könnte ein ähnlicher Streit aufflammen wie um das Panzergeschäft mit der Türkei. Dann wird die derzeitige grüne Lethargie in Hyperaktivität umschlagen.

Georg Löwisch