Stuttgarter Zeitung, 15.12.1999

Der Gang zum Standesamt endet in der Abschiebehaft

Eritreer wegen angeblicher Fluchtgefahr festgenommen - Arbeitskreis Asyl: Klima für Flüchtlinge ist rauer geworden

Panne oder hartes Durchgreifen? Vor den Augen seiner zukünftigen Frau und deren kleinem Sohn ist ein 22-jähriger Eritreer in Abschiebehaft genommen worden. Dem Mann, der seit zwölf Jahren hier lebt und eine feste Arbeit hat, werden drei Tage illegaler Aufenthalt vorgeworfen.

Von Susanne Janssen

Eigentlich sollte der 28. November für Natasha Butler und Amanuel Yeshake ein freudiger Tag werden: Die Amerikanerin und der Eritreer hatten endlich alle Papiere zusammen, um das Aufgebot zu bestellen.

Kurz vor zwölf Uhr werden sie noch zum Ausländeramt geschickt. Während sie dort warten, erscheint die Polizei und nimmt den 22-Jährigen fest: Die Aufenthaltsberechtigung war am 26. November abgelaufen. Amanuel Yeshake wird zur Abschiebehaft nach Mannheim gebracht. Dieser Fall, so Pfarrer Werner Baumgarten vom Arbeitskreis Asyl, zeige es: ¸¸Wer die falsche Hautfarbe hat, wird häufiger kontrolliert oder wegen angeblicher Fluchtgefahr festgenommen.'' Dabei gehe es ihm gar nicht darum, Yeshake, der wohl als Jugendlicher einmal auffällig geworden sei, als Lichtgestalt darzustellen, sondern um mehr Fairness.

Der Eritreer kam als 13-Jähriger mit seinen Eltern nach Deutschland. Nach der Schule lernte er bei Bosch Industriemechaniker und ist seitdem dort beschäftigt. Nach seiner Festnahme setzte sich auch sein Vorarbeiter bei Bosch für ihn ein. ¸¸Amanuel hat sich zehn Jahre hier ein Leben aufgebaut und wird jetzt weggeschoben. Dabei hat er nie Sozialhilfe bekommen'', erklärt seine Braut. Ihr droht jetzt jedoch der Gang zum Sozialamt: Denn Yeshake ist der Mieter ihrer gemeinsamen Wohnung. Und er habe ihren Sohn jeden Tag um 16 Uhr vom Kindergarten abgeholt: ¸¸Ich muss in meiner Ausbildung bis 18 Uhr arbeiten - das geht jetzt nicht mehr.''

Die Amerikanerin ist mit 18 Monaten als Kind eines GIs nach Deutschland gekommen. Auch ihr werde ihr Aufenthaltsrecht nur gönnerhaft gewährt. ¸¸Sie sind keine Deutsche'', bekomme sie immer zu hören. Bei der Heirat habe sie aber nicht mit Problemen gerechnet: ¸¸Weil Amanuel bereits verheiratet und seit einem Jahr geschieden war, lagen alle Papiere vor.'' Baumgarten berichtet, dass ein Anwalt im Oktober noch in einem Antrag auf Bleiberecht angekündigt habe, dass der Eritreer in Kürze heiraten wolle. Jetzt hofft er noch auf eine günstige Wende: ¸¸Normalerweise ist die Stadt Stuttgart eher kulant - das ist hoffentlich eine einmalige Panne.''

Probleme, so Baumgarten, gebe es aber auch für Flüchtlinge, die volljährig werden: Der 18-jährige Bosnier Jasmin Alic sei am 30. November um 6 Uhr zu Hause abgeholt und tags darauf abgeschoben worden. Seine Mutter sei wegen ihrer schweren Krankheit nicht ausreisepflichtig. Einer Kurdin drohe das gleiche Schicksal: Weil sie zwei Jahre nach ihren Eltern und Geschwistern eingereist sei, besitze nur sie keine Aufenthaltsberechtigung.

¸¸Das Klima für Asylbewerber ist rauer geworden'', meint Pfarrer Baumgarten. Erstmals häuften sich beim Arbeitskreis Asyl wieder die Hetzanrufe und Drohungen wie zuletzt Anfang der 90er Jahre. Einige Mitglieder seien auch privat davon betroffen. In der Aktion ¸¸Fairness für Flüchtlinge'' will sich der Arbeitskreis dafür einsetzen, dass Ausländer angstfrei zu Behörden gehen können und an sie gerichtete Schreiben verständlicher abgefasst werden: ¸¸Manche Asylbewerber hatten bei harmlosen Briefen Panikreaktionen, weil sie dachten, nun werden sie abgeschoben.''