taz, 15.12.1999

Asyl für Demonstranten

VGH lehnt "Terrorismusvorbehalt" ab und gibt dem Antrag eines Kurden statt

Kassel (AFP/dpa) - Trotz der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen und Autobahnblockaden haben PKK-Mitglieder einen Anspruch auf Asyl, wenn ihnen bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung droht. Das entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem gestern bekannt gegebenen Urteil. Nicht zuletzt wegen der zwischen Deutschland und der Türkei vereinbarten Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, dem so genannten "Strafnachrichtenaustausch", sei davon auszugehen, dass politisch motivierte Straftaten von Anhängern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) den türkischen Sicherheitsbehörden bekannt seien, heißt es. Bei einer Rückkehr in die Türkei drohe daher politische Verfolgung.

Der VGH sprach damit einem Türken kurdischer Volkszugehörigkeit Asyl zu. Er hatte sich 1992 an einer gewalttätigen Demo vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt/Main beteiligt, eigene Gewalttaten wurden ihm aber nicht nachgewiesen. 1994 übergoss er sich bei einer Autobahnblockade mit Benzin und zündete sich an, das Feuer wurde aber schnell gelöscht. Auch schüttete er Benzin gegen einen Polizisten und warf den Kanister in eine Gruppe von Demonstranten. Es sei davon auszugehen, dass diese "exponierte politische Betätigung" den türkischen Sicherheitsbehörden bekannt sei, urteilten die Richter.

Deutlich wandte sich der VGH-Senat unter Vorsitz des Asylexperten Günter Renner gegen den vom Bundesverwaltungsgericht im März geschaffenen "Terrorismusvorbehalt". Danach hat sein Asylrecht verwirkt, wer in Deutschland nicht Schutz, sondern "einen Kampfplatz für völkerrechtlich geächtete terroristische Aktivitäten" suche. Es sei nicht erkennbar, auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Beschränkung eines Grundrechts beruhe, merkte der VGH dazu an. (Az.: 12 UE 2984/97.A)