yahoo, 13. Dezember 1999, 11:38 Uhr

Europapolitiker gegen baldigen EU-Beitritt der Türkei

Führende Europapolitiker von SPD und CDU lehnen einen raschen EU-Beitritt der Türkei ab. Nach der Aufnahme in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Türkei innerhalb der nächsten zehn Jahre EU-Mitglied werden könne, sagte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), Willi Görlach, einer Zeitung.

Die Türkei sei von einem vollständig demokratischen Staat noch "weit entfernt". Görlach äußerte sich skeptisch, ob "eine Vollmitgliedschaft der Türkei überhaupt die richtige Lösung" sei.

Sein Fraktionskollege Martin Schulz, Vize-Vorsitzender des Türkei-Ausschusses im Europaparlament, warnte vor übereilten Versprechungen: "Es wird noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis die Türkei die demokratischen, menschenrechtlichen und vor allem wirtschaftlichen Beitrittskriterien erfüllen wird."

Magdalene Hoff, Mitglied im Ausschuss für Auswärtiges, sagte, Ankara habe sich bislang geweigert, demokratische und rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen. Deshalb könne es einen zügigen Beitritt auch nicht geben, so die Sozialdemokratin.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Friedbert Pflüger, erklärte unterdessen, die EU habe mit der Offerte an die Türkei möglicherweise "einen sehr risikoreichen Weg beschritten".

In einem Interview warnte der CDU-Politiker davor, dass in der Türkei überzogene Erwartungen an einen baldigen EU-Beitritt aufkommen könnten, denen die EU nicht entsprechen könne. Pflüger sagte weiter, die EU hätte womöglich besser daran getan, eine Form der dauerhaften Kooperation mit der Türkei unterhalb der klaren Beitrittsperspektive zu eröffnen.

Nach ihrer Aufnahme in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten drängt die Türkei auf eine rasche Mitgliedschaft in der Europäischen Union.