taz, 13.12.1999

Zypern kann EU-Mitglied werden, aber nur vielleicht

Wie die EU die Türkei zur Kandidatin erklärte, ohne damit Griechenland zu verärgern Der Gipfel von Helsinki könnte eine neue Ära in den Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei eröffnen. Den europäischen Diplomaten ist es gelungen, beide Seiten zufrieden zu stellen: Griechenland verzichtete auf dem EU-Gipfel auf das angedrohte Veto gegen den Kandidatenstatus für das Nachbarland. Dafür erhielt Athen zwei wichtige Zusagen.

Zwei Faktoren belasteten bisher die Beziehungen beider Ländern. Zumindest einer davon könnte bald ausgeräumt sein: der Territorialstreit um die Ägäis. Hier ruft die EU in ihrer Erklärung Griechenland und die Türkei dazu auf, "alles daranzusetzen, um etwaige ungelöste Grenzstreitigkeiten zu lösen". Falls keine Lösung zu erreichen sei, "sollten sie den Streitfall innerhalb einer angemessenen Frist dem Internationalen Gerichtshof vorlegen". Spätestens 2004 will die EU den Fortgang der Verhandlungen prüfen. Will heißen: Bis dahin sollten sich beide Länder geeinigt haben. Der Türkei wird dabei dringend nahe gelegt, den Europäischen Gerichtshof als Schlichtungsinstanz anzuerkennen - was Ankara bisher verweigerte.

Den zweiten griechisch-türkischen Streitpunkt haben die EU-Diplomaten weise vertagt. Griechenland hatte verlangt, der (griechischen) Republik Zypern in jedem Fall die EU-Mitgliedschaft zuzugestehen, auch dann, wenn die Insel weiter geteilt bliebe. Demgegenüber lehnt Ankara eine Mitgliedschaft nur der Republik Zypern ab und verlangt die Beteiligung ihrer international nicht anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern" an den Gesprächen. Auch mehrere EU-Mitglieder hatten sich in jüngster Zeit gegen ein EU-Mitglied Zypern ausgesprochen, solange der Norden der Insel von türkischen Truppen besetzt ist. Die EU erklärte nun, dass Zypern Mitglied werden kann, auch wenn der Konflikt nicht gelöst wird, vermeidet aber eine eindeutige Festlegung. Geklärt ist damit jedoch, dass der Türkei kein Veto für einen möglichen Beitritt zugebilligt wird. Zugleich hält man sich mit der Kann-Bestimmung eine Hintertür auf: Die EU kann damit auch später entscheiden, dass eine weiterhin geteilte Insel eben nicht Mitglied werden darf.

Der Helsinki-Beschluss könnte auch die derzeit laufenden Zypern-Gespräche der UN positiv beeinflussen. Wahrscheinlich noch bis zum Dienstag verhandeln in New York Zyperns Präsident Clerides und der Chef der Zyperntürken, Denktasch. Zwar beschwerte sich Denktasch am Samstag, der EU-Beschluss würde die Teilung zementieren. Wieder verlangte er stattdessen die Anerkennung Nordzyperns als selbstständigen Staat. Doch angesichts der festgefahreren Positionen kann es schon als Erfolg gewertet werden, dass Denktasch nur redete - und nicht abgereist ist.

klh