Berliner Zeitung, 13.12.1999

Türkei kündigt Abschaffung der Todesstrafe an

Premier Ecevit sagt auf EU-Gipfel rasche Reformen zu

Ruth Berschens und Bettina Vestring

HELSINKI, 12. Dezember. Nach der Aufnahme der Türkei in die Runde der EU-Beitrittskandidaten hat die Regierung in Ankara die Abschaffung der Todesstrafe und weitere demokratische Reformen angekündigt. "Ich war immer gegen die Todesstrafe", sagte der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit am Wochenende nach einem Treffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs. Deshalb wolle er die Abschaffung der Höchststrafe gegen den Widerstand anderer türkischer Regierungsparteien durchsetzen, versprach Ecevit. Er räumte ein, dass es in seinem Land Demokratiedefizite gebe. "Auf dem Feld der Menschenrechte müssen wir Boden gutmachen und die Standards heben", sagte er. Auch wirtschaftlich müsse die Türkei noch aufholen. Sein Land werde aber viel schneller auf den Beitritt vorbereitet sein, als das viele in der EU glaubten. In einem guten halben Jahr Amtszeit habe seine Regierung schon viele Reformen angepackt. "Die erforderlichen Maßnahmen gegen jede Form von Misshandlung" seien bereits beschlossen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zeigte sich zum Abschluss des Gipfels in Helsinki zufrieden über die Entscheidung, die Türkei als Beitrittskandidaten zu akzeptieren. Dieser "wirklich historische Beschluss" werde "den inneren Reformprozess in der Türkei befördern können und müssen", sagte er.

Mit einem Abkommen will die EU der Türkei dabei helfen, sich auf die Beitrittsverhandlungen vorzubereiten. Dafür erhalte die Türkei Finanzhilfen von 180 Millionen Euro pro Jahr, sagte ein Sprecher des EU-Kommissars Günter Verheugen. Die Türkei könne nun an vielen EU-Programmen teilnehmen, etwa am Studentenaustausch oder Forschungsprogrammen. Außerdem werde die EU nun die türkische Gesetzgebung analysieren, um festzustellen, wo Anpassungsbedarf an das EU-Recht bestehe.

Beim Gipfel entschieden die EU-Regierungschefs auch, ab Februar 2000 Beitrittsverhandlungen mit sechs weiteren Staaten aufzunehmen. Damit vergrößert sich die Runde auf zwölf EU-Anwärter.

Deutsche Politiker von CDU und CSU haben vor einem zu raschen EU-Beitritt der Türkei gewarnt. Der europa-politische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Hintze, sagte am Sonntag: "Mit dem EU-Kandidatenstatus für die Türkei werden unerfüllbare Hoffnungen und unabschätzbare politische und wirtschaftliche Risiken für die EU in Kauf genommen."