Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10.12.1999

SPD-Attacken auf Schilys Asylpläne

Die SPD verlangt ein großzügigeres Asyl- und Bleiberecht. Der Bundesparteitag stimmte am Donnerstag einem entsprechenden Antrag zu. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wurde scharf angegriffen. Bei dem ansonsten harmonischen Parteitag kam es am letzten Tag noch zu schrillen Tönen: Viele Delegierte kritisierten die Asylpläne des ñ abwesenden ñ sozialdemokratischen Bundesinnenministers. Beschlossen wurde ein Papier, wonach es ein erweitertes Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber geben soll, eine großzügigere Anerkennung von Asylanträgen sowie ein europäisches Einwanderungsgesetz. Die Delegierten gingen mit Schilys Aussage hart ins Gericht, wonach mehr als 90 Prozent der Asylbewerber Wirtschaftsflüchtlinge seien. Damit habe Schily "den programmatischen Boden der deutschen Sozialdemokratie verlassen", hieß es. Der Parteitag sprach sich dafür aus, weitere Asylgründe einzuführen. So solle das Asylrecht künftig auch für Menschen gelten, die von nicht-staatlicher Seite verfolgt werden. Schily hatte im Oktober angeregt, Flüchtlingen europaweit zu helfen, jedoch in Zukunft von den in Deutschland einklagbaren Ansprüchen abzusehen. Mit Blick auf Europa müsse man sich "dem Gedanken öffnen, dass nicht jede Wohltat, die wir einem Menschen zuwenden, einklagbar sein muss". Der Parteitag wandte sich indessen gegen eine europaweite Angleichung "nach unten". Zum Abschluss setzte der Parteitag in Berlin eine Kommission ein, die das gültige SPD-Grundsatzprogramms von 1989 überarbeiten soll. Sie wird vom Parteivorsitzenden Gerhard Schröder geleitet, den geschäftsführenden Vorsitz übernimmt sein Stellvertreter Rudolf Scharping. Schröder bewertete den Parteitag als Bestätigung und Ansporn für die Politik der Bundesregierung. Die Regierung sei gestützt, aber auch gefordert worden. Die SPD habe sich als Partei gezeigt, der man wegen ihrer Geschlossenheit neu vertrauen könne. Das wichtigste Ergebnis sei: "Wir können uns auf euch verlassen."

dpa, Berlin