Die Welt, 10.12.1999

Heftige Kritik an Innenminister Schily bei SPD-Parteitag

Berlin - Das Gewitter hatte sich in den vergangenen Wochen durch ein deutlich vernehmbares Grummeln in der Partei bereits angekündigt - am Donnerstag entlud es sich dann auf dem SPD-Parteitag kurz und heftig. Bundesinnenminister Otto Schily sah sich dort heftiger Kritik wegen seiner Äußerungen zum Asylrecht ausgesetzt.

Am Ende der Debatte zum Asylrecht stimmte die Mehrheit der Delegierten einem kurzfristig eingebrachten Antrag zu, in dem unter anderem gefordert wird, Kosovo-Albaner nicht wie geplant in ihre Heimat abzuschieben. In der Debatte, während der Schily nicht anwesend war, wurde vor allem seine Äußerung, 97 Prozent der Asylbewerber seien Wirtschaftsflüchtlinge, scharf attackiert.

In dem beschlossenen Initiativantrag wird eine sofortige Realisierung und Erweiterung der kürzlich von den Innenministern von Bund und Ländern beschlossenen Altfallregelung für Asylbewerber gefordert. Sie sollte für alle Flüchtlinge, die länger als fünf Jahre in Deutschland lebten, gelten.

Die Innenminister hatten sich unter anderem jüngst auf eine Regelung unter bestimmten Bedingungen für Familien, die vor dem 1. Juli 1993 in Deutschland lebten, geeinigt. Angemahnt wird auch, Menschen aus bestimmten Herkunftsländern wie Bosnien oder Kosovo nicht von der Regelung auszuschließen.

Der Antrag fordert auch eine Aufhebung der Arbeitsverbote für Flüchtlinge. "Arbeitsfähige Flüchtlinge sollten die Möglichkeit erhalten, eine Arbeit auszuüben", heißt es. Fraktionsvize Stiegler warnte allerdings, ein solcher Schritt habe große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es sei nicht klar, ob davon 100 000 oder 300 000 Personen betroffen wären. af