Rheinpfalz online, 9.12.1999

Verheugen: Türkei soll Kandidatenstatus bekommen

Einen Tag vor Beginn des EU-Gipfels in Helsinki hat sich am Donnerstag keine Einigung bei der Frage einer Aufnahme der Türkei in die Union abgezeichnet. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen sprach sich erneut dafür aus, der Türkei einen Status als Beitrittskandidaten einzuräumen. Dies sei "keine Wohltätigkeit", sondern liege im Interesse der EU, sagte er der Tageszeitung "Die Welt". Die EU müsse Ankara eine "klare Perspektive" geben, sonst sei die Türkei "für den Westen verloren". Dagegen warnten die Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament eindringlich davor, die Türkei in die Reihe der Beitrittskandidaten aufzunehmen.

Um die Türkei näher an die EU zu binden, schlug Verheugen Zugeständnisse an die griechische Regierung vor. Für Athen bleibe die zentrale Frage, was der Kandidatenstatus der Türkei für den EU-Beitritt Zyperns bedeute. Ob die EU ein geteiltes Zypern aufnehmen oder die Lösung des Zypern-Konflikts zur Voraussetzung für die Aufnahme der Mittelmeeerinsel machen werde, ließ Verheugen allerdings offen. Dagegen warnte der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Hans Gert Pöttering, erneut davor, der Türkei Kandidatenstatus zu gewähren. Dies werde in Ankara lediglich "Illusionen" wecken, sagte Pöttering im "DeutschlandRadio Berlin". Am Ende werde die Türkei in einigen Jahren Verhandlungen über eine Mitgliedschaft verlangen, ohne dass sie die Menschenrechtskriterien erfülle.

Der türkische Außenminister Ismail Cem äußerte sich vorsichtig zu den Chancen seines Landes. Sollte die Türkei mit ihrem Vorstoß erneut scheitern, sei dies kein "Weltuntergang". Cem warnte vor überzogenen Erwartungen seines Landes in Helsinki.

Der zum Tode verurteilte kurdische Rebellenführer Abdullah Öcalan rief derweil die EU dazu auf, der Türkei ohne Bedingungen einen Kandidatenstatus einzuräumen. Dies sei für beide Seiten vorteilhaft, sagte einer seiner Rechtsanwälte in seinem Namen am Donnerstag in Ankara. Die Türkei müsse aber auf allen Gebieten den europäischen Normen zustimmen.

afp