Die Welt, 10.12.1999

Griechenland sucht den Kompromiss mit der Türkei

Vorgespräche in Helsinki - Ankaras Außenminister Ismail Cem lässt die griechische Seite hoffen

Von Evangelos Antonaros

Helsinki - In der strittigen Frage über den künftigen Status der Türkei als Beitrittskandidat zeichnete sich am Vorabend des EU-Gipfels in Helsinki eine Einigung ab. Griechenlands Ministerpräsident Kostas Simitis traf am Donnerstag mehrere Stunden vor allen anderen europäischen Staats- und Regierungschefs in Helsinki ein, mit dem finnischen Ratspräsidenten Paavo Lipponen die Formulierungen zu den für die Griechen wichtigen Themen - Zypern und Ägäis-Streit - abzustimmen.

Wenige Stunden vor dem Abflug in Athen hatte Simitis zwar gesagt, alle Optionen seien noch offen. Aber bei einer Sitzung der wichtigsten Kabinettsmitglieder am Mittwoch hatte er sich die innenpolitisch bedeutsame Vollmacht verschafft, "im Interesse Griechenlands" für oder gegen die Kandidatur der Türkei zu entscheiden. Dadurch hat Simitis freie Hand erhalten. In der Athener Presse herrschte daraufhin der Eindruck vor, dass die griechische Haltung positiv ausfallen werde, obwohl, so Regierungssprecher Dimitris Reppas gegenüber der WELT, "für uns keineswegs unwichtige Einzelheiten noch zu klären" sind.

Spätestens seit einer Äußerung des türkischen Außenministers Ismail Cem sieht sich Außenminister Georgios Papandreou in seinem verhaltenen Optimismus bestätigt, dass Ankara zu Gegenleistungen, wenn auch bisher nur verbaler Natur, bereit sei. "Die Türkei ist bereits dabei, sich den aus der Agenda 2000 resultierenden Regeln anzupassen, beziehungsweise sie verpflichtet sich dazu, sich anzupassen", sagte Cem. Diese Formulierung, die auf Wunsch der Griechen in schriftlicher Form in Helsinki festgehalten werden sollte, bedeutet in der Praxis, dass die Türkei die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zum Festlandsockel-Streit in der Ägäis anerkennt.

Problem Nummer zwei betrifft Zypern: Athen besteht darauf, dass die Beitrittsverhandlungen mit der geteilten Insel ungeachtet der Suche nach einer politischen Lösung vorangehen sollen. Auch in diesem Bereich gibt es nach griechischen Delegationskreisen "nennenswerte Fortschritte". Eine Einigung wäre durchaus möglich. Es sei denn, Frankreichs Präsident Chirac stelle zwischen Zyperns beabsichtigtem Beitritt und der Lösung ein Junktim her.

Dass ein Kompromiss in greifbarer Nähe ist, bestätigt nach Informationen der WELT die Tatsache, dass eine Reise Papandreous nach Ankara für Mitte nächster Woche geplant wird, sollte alles glatt über die Bühne gehen. Dann sollen verschiedene unpolitische Abkommen unterzeichnet werden, die in den letzten Monaten Delegationen auf Diplomatenebene ausgearbeitet haben.