Kurier (A), 10.12.1999

Gipfeltreffen in Helsinki: Millenniumserklärung und Drohungen der Türkei

Heikle Debatten der Staats- und Regierungschefs sowie der Außenminister

Finnland erwartet einen Mammut-Gipfel mit 4.000 Teilnehmern. Armee-Einheiten und Tausende Polizisten wurden bereits nach Helsinki verlegt, um das Kongresszentrum, wo heute, Freitag, die 15 Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister zusammenkommen, vor Demonstranten zu schützen. Arbeitslose aus allen EU-Staaten, finnische Bauern und kurdische Flüchtlinge haben Proteste angekündigt.

Der Fall der Türkei sorgt beim zweitägigem Gipfeltreffen für Spannungen. Griechenland drohte Ankara bis zuletzt die Anerkennung des Kandidaten-Status zu blockieren. Hinzu kommt, dass die türkische Regierung mit der Art der Einladung, die ihr zum EU-Gipfel in Helsinki zugestellt wurde, nicht zufrieden ist. "Der Wortlaut der Einladung ist weit davon entfernt, unseren Erwartungen zu entsprechen", hieß es im Außenministerium in Ankara. Wie schon vor zwei Jahren in Luxemburg, will die türkische Regierungsspitze erneut das gemeinsame Mittagessen am Samstag platzen lassen.

In der Tat ist der Name Türkei im Einladungsbrief von Premier Paavo Lipponen an alle Regierungschefs nicht erwähnt. "Die Erweiterung", so heißt es kurz im Schreiben des amtierenden EU-Vorsitzenden, soll "konsequent und glaubwürdig" erfolgen.

Neben der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Litauen, Lettland, Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und Malta, die beschlossene Sache ist, werden Details der künftigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik heikle Debatten provozieren.

Österreich als neutrales Land ist mit der Entscheidung nicht einverstanden, bei Planungen militärischer EU-Operationen, die NATO-unterstützt durchgeführt werden, kein Mitspracherecht zu haben. Verärgert darüber sind auch Irland, Schweden und Finnland.

Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat angekündigt, das Problem im großen Kreis der EU-Granden noch einmal zur Sprache zu bringen. Dazu Lipponen lapidar: "In der EU sind alle Länder gleich". Am Nachmittag steht ein Dauerbrenner der EU auf der Tagesordnung: Die Harmonisierung der Kapitalertragssteuer. Dafür wurden eigens die Finanzminister gestern Abend nach Helsinki bestellt.

Ohne lange Diskussion verabschiedeten die EU-Politiker am Beginn ihres Treffens eine Millenniums-Erklärung, die an alle europäischen Bürger gerichtet ist. Darin wird rund einer halben Milliarde Menschen gesagt, was der "wirkliche Wert" der Union ist, nämlich "Friede und Stabilität".

Autor: Margaretha Kopeinig