Freie Presse, 9.12.1999

Sieben Kurden wegen Geiselnahme in Leipzig vor Gericht

Leipzig (dpa/sn) - Zehn Monate nach der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Leipzig hat am Mittwoch der Prozess gegen die sieben mutmaßlichen kurdischen Rädelsführer begonnen. Die Angeklagten müssen sich wegen Geiselnahme, schweren Landfriedensbruchs sowie wegen schweren Hausfriedensbruchs vor dem Landgericht Leipzig verantworten.

Am 16. Februar hatten nach der Festnahme des inzwischen in der Türkei zum Tode verurteilten PKK-Chefs Abdullah Öcalan 73 Kurden das Leipziger Konsulat besetzt und drei Mitglieder eines dort untergebrachten Steuerbüros als Geiseln genommen. Nach zehn Stunden stürmte die Polizei das Gebäude und befreite die Opfer. Damals hatte es bundesweit Proteste von Kurden gegeben. In Berlin waren drei Kurden bei der Besetzung des israelischen Generalkonsulats durch Sicherheitskräfte erschossen worden.

Die Verteidiger stellten am ersten Prozesstag Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter Jürgen Niemeyer und einen der Beisitzer. Sie hätten nicht dafür gesorgt, dass die Anwälte rechtzeitig Einsicht in die kompletten Prozessakten erhielten. Auch gegen einen Dolmetscher wurde ein Befangenheitsantrag gestellt, weil es zwischen ihm und einem der Angeklagten zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Die Verteidiger rügten außerdem die nach ihrer Ansicht nicht ordnungsgemäße Besetzung der Strafkammer mit Schöffen. Mehrere Laienrichter hätten abgesagt, ohne dass entschuldbare Gründe vorgelegen hätten. Dadurch sei das Prinzip des gesetzlichen Richters verletzt worden.

Zwischen der Verteidigung und dem Vorsitzenden Richter Niemeyer kam es zu heftigen Wortgefechten. Niemeyer drohte einem der Verteidiger, ihn von der Pflichtverteidigung zu entbinden, wenn er Verhandlungspausen eigenmächtig überziehe. Staatsanwalt Rainer Baums kündigte die Einschaltung der Anwaltskammer an, da ein Anwalt angeblich geäußert habe, der Ankläger lese die Anklageschrift so schnell vor, weil er etwas zu verbergen habe. Der Anwalt bestritt die Äußerung. Die Anklageschrift soll nun am nächsten Prozesstag, am 14. Dezember, verlesen werden.