Rheinpfalz, 9.12.1999

Im Blickpunkt: Machtkampf in Teheran

Irans Geheimdienst stört Beziehung zur Türkei

Irans Geheimdienst stört zunehmend die außenpolitischen Bemühungen von Außenminister Kemal Kharazi, das Land aus der internationalen Isolation zu befreien. Kharazi hat sich deswegen, wie die RHEINPFALZ aus iranischen Oppositionskreisen erfuhr, im November bei Präsident Mohammed Khatami beklagt.

Die Auseinandersetzungen zwischen dem Geheimdienstministerium und dem Außenministerium in Teheran sind Teil des Machtkampfes zwischen den fundamentalistischen und den reformbereiten Kräften im Regierungsapparat. Laut Kharazi verletzte das Geheimdienstministerium mehrfach Absprachen über eine Koordination mit dem Außenministerium, indem es einige Aktivitäten in Europa verheimlichte. Dadurch werde Teheran in internationale Krisen verwickelt und Irans Ansehen beschädigt. Kharazi verwies bei dem Treffen mit Khatami besonders auf die türkisch-iranischen Beziehungen, die durch Geheimdienstaktionen belastet worden sind. Als der iranische Botschafter Lavasani 1998 seinen Posten in Ankara antrat, musste er kurz darauf wieder zurückgerufen werden, weil die Türken iranischen Diplomaten vorwarfen, sich mit islamistischer Propaganda in innere Angelegenheiten einzumischen. Die Kontroverse erreichte mit der Festnahme von drei iranischen Geheimdienstagenten ihren Höhepunkt. Die drei wurden beschuldigt, in den Mordanschlag auf den früheren türkischen Kulturminister Ahmet Taner Kislali am 1. Oktober dieses Jahres verwickelt zu sein. Die drei Verdächtigen waren als Computerspezialisten getarnt in die Türkei eingereist, um angeblich das Kommunikationssystem der iranischen Botschaft in Ankara zu bedienen. Die drei Geheimdienstler wurden von den türkischen Sicherheitsbehörden inzwischen wieder freigelassen, um größere diplomatische Komplikationen mit Iran zu vermeiden. Die türkisch-iranischen Beziehungen sind vor allem im wirtschaftlichen Bereich für beide Seiten von Interesse. Die Türkei und Iran sind sich aber auch ihrer regionalen strategischen Bedeutung bewusst. Sowohl Ankara als auch Teheran wollen ihren Einfluss im Kaukasusgebiet und in den neuen mittelasiatischen Republiken ausbauen. Dabei spielen die Ölvorkommen im Kaspischen Meer eine wichtige Rolle. Irans andauernde subversive Aktivitäten auch in der Türkei haben den türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel und Ministerpräsident Bülent Ecevit zu dem Vorwurf veranlasst, Teheran ermutige Islamisten zu terroristischen Aktionen. Vorangegangen waren Demonstrationen in Iran für die türkische Abgeordnete der islamistischen Tugend-Partei, Merve Kavakci, die im Mai gegen das Kopftuch-Verbot in öffentlichen Gebäuden protestiert hatte. Das Kopftuch gilt den Laizisten in der Türkei als Symbol der Fundamentalisten, das in staatlichen Institutionen nichts zu suchen habe. Verschärft wurde der türkisch-iranische Streit auch durch die iranische Unterstützung für die Guerillas der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Nachdem Ankara mehrfach vergebens an Teheran appelliert hatte, diese Unterstützung zu beenden, griff im Juli die türkische Luftwaffe PKK-Einrichtungen in Iran an. Kharazi hat Khatami nun aufgefordert, das zum konservativen Lager gehörende Geheimdienstministerium wieder auf die ursprünglich vereinbarte Koordination mit dem Außenministerium festzulegen. Die Spannungen mit der Türkei müssen abgebaut werden, betonte Kharazi, der die Türkei besuchen will, um einen Besuch Demirels in Iran vorzubereiten.

Von unserem Redakteur: Hannes Barth