Rheinpfalz, 7.12.1999

Film Aktuell: Männer, die zum Mythos wurden

Reis Celiks Film "Lebewohl Morgen" über die "türkische RAF"

Reis Celiks Film "Lebewohl Morgen", der bundesweit mit deutschen Untertiteln läuft und im vergangenen Jahr in der Türkei mit großem Erfolg gezeigt wurde, erzählt die authentische Geschichte der drei türkischen Studentenführer Deniz Gezmis, Yusuf Arslan und Hüseyin, Inan, die 1972 von der damaligen Militärjunta aufgehängt worden sind.

"Lebewohl Morgen" beginnt mit der Verhaftung von Dezis Gezmis und Yusuf Arslan vier Tage nach dem Militärputsch am 16. März 1971 im zentralanatolischen Gemerek und legt den Schwerpunkt auf den Prozess vor einem Militärgericht in Ankara. In Rückblenden und Schwarz-Weiß-Originalaufnahmen wird die Entwicklung der Studentenbewegung in der Türkei und deren Beeinflussung vom Ausland vor Augen geführt. Dabei werden die Taten und Motive von Dezis Gezmis und seiner Freunde - die Banküberfälle, Entführungen von in der Türkei stationierten amerikanischen Offizieren - thematisiert. Der Film versucht herauszufinden, wie es überhaupt zu diesen Unruhen kommen konnte. Die 60er Jahre in der Türkei waren von politischen und ökonomischen Krisen geprägt. Der populäre Ministerpräsident Adnan Menderes und seine beiden Kabinettsmitglieder Fatin Rüstu Zorlu und Hasan Polatkan wurden nach dem ersten Militärputsch 1961 aufgehängt. Die zivilen Regierungen, die danach an die Macht kamen, schafften es nicht, das Land auf die richtige Bahn zu bringen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wurde immer größer. Außenpolitisch war die Türkei weitgehend von anderen Ländern abhängig. Die Jugend suchte nach neuen Perspektiven und Lösungen. Die weltweite Studentenbewegung fand auch in der Türkei Nachahmer. Die Universitäten wurden zu Protestzentren, der Staat hatte Schwierigkeiten, die aufkeimenden Unruhen einzudämmen. Da kamen Deniz Gezmis und seine Freunde wie gerufen. Sie gründeten bald die "Volksbefreiungsarmee der Türkei" und nahmen, ähnlich wie die Bader-Meinhoff-Gruppe in Deutschland, den bewaffneten Kampf auf. Sie orientierten sich an Castros Kuba und wurden zum Teil in Palästina ausgebildet. Die Zahl der Sympathisanten wuchs von Tag zu Tag. Für ihre Anhänger stiegen die drei Studentenführer in kürzester Zeit zu Halbgöttern auf. Die modernen Robin Hoods versprachen dem Volk eine in allen Bereichen unabhängige Türkei. Ihre Zeit dauerte jedoch nicht lange. Am 12. März 1971 putschte die Armee zum zweiten Mal und startete eine Hetzjagd gegen Deniz Gezmis und seine Freunde. Der Tod von Deniz Gezmis, Yusuf Arslan und Hüseyin Inan am 6. Mai 1972 hat die türkische Studentenbewegung noch einmal in Aufruhr versetzt. Tagelang haben Hunderte von jungen Menschen an ihren Gräbern Wache gehalten. Die Polarisierung der Gesellschaft und die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Studentengruppen sowie der Kampf gegen staatliche Einheiten haben in den 70er Jahren zugenommen. Am 12. September 1980 putschte die Armee zum dritten Mal und beschnitt sämtliche Demokratisierungsbemühungen. 1982 wurde die türkische Verfassung geändert und viele persönliche Freiheiten eingeschränkt. Ein Jahr später kam der inzwischen verstorbene Ministerpräsident Turgut Özal an die Macht. Seitdem hat sich die Türkei nach außen geöffnet. Zu den 70er Jahren gab es kaum noch Parallelen. Dennoch blieben die damals hingerichteten Deniz Gezmis, Yusuf Arslan und Hüseyin Inan im öffentlichen Bewusstsein. Man hat aus ihnen ein Mythos gemacht.

Von unserem Mitarbeiter: Ayan Bakirdögen