Die Welt, 7.12.1999

EU: Athen bremst beim Thema Türkei

Griechenland stellt Bedingungen für Beitritts-Kandidatur Ankaras

Von Andreas Middel

Brüssel - Die EU-Außenminister haben die Pläne der EU-Kommission, in Helsinki den Startschuss für Beitrittsverhandlungen mit zwölf Ländern zu geben, abgesegnet. Man stimme mit der Kommission vollkommen überein, erklärte Österreichs Außenminister Wolfgang Schüssel in Brüssel. Bei ihrem zweitägigen Treffen in Europas Hauptstadt wollen die Minister letzte Vorbereitungen für das EU-Gipfeltreffen am kommenden Wochenende treffen.

Das Tempo der Erweiterung "haben nun die Kandidaten in der Hand", sagte Schüssel. Der grundsätzliche Strategiewechsel, der in Helsinki beschlossen werden soll, sei, dass es künftig keine Gruppen mehr gebe. Dort werde eine "Individualisierung des Beitrittsprozesses" verfügt.

Noch nicht geklärt ist, welche Zugeständnissse an die griechische Regierung gemacht werden, um deren Ja zum Beitrittskandidatenstatus der Türkei zu erkaufen. Aus Diplomatenkreisen heißt es nur, dass Athen auf die Zusicherung der übrigen EU-Regierungen drängt, nur den griechischen Teil der seit 1974 zwischen Türken und Griechen geteilten Insel Zypern aufzunehmen. Auf diesem Weg will Giechenland vermeiden, dass dem Nicht-EU-Mitgliedsland Türkei eine Vetorecht beim Beitritt der Insel eingeräumt wird.

Dass schon die Außenminister hier zu einer Lösung kommen, galt in Brüssel als ausgeschlossen. "Die Frage des Kandidatenstatus der Türkei ist in jedem Fall schwieriger geworden", hieß es gestern aus einzelnen Delegationskreisen. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der an den Verhandlungen der Außenminister teilnahm, machte sich dafür stark, erst nach dem Jahr 2002 konkretere Beitrittsdaten für die einzelnen Kandidaten zu nennen. Schon in früheren Gesprächen hatte Prodi aber auch angemahnt, die jetzigen Erweiterungsverhandlungen zu nutzen, um eine Diskussion über die geografischen Grenzen der EU zu eröffnen.

Denn nach der Türkei pochen auch schon andere Länder wie die Ukraine, Weissrussland oder Moldawien früher oder später auf EU-Mitgliedschaft. Nicht nur in der Kommission, auch in den meisten Hauptstädten ist die Begeisterung über solche Erweiterungsschritte eher verhalten. Dort herrscht jedenfalls Einigkeit, "das Türkei-Experiment nicht noch einmal zu wiederholen", wie ein Diplomat in Brüssel meint.

Einige Länder möchten in diesem Zusammenhang die Europa-Konferenz wiederbeleben, wie Österreichs Außenminister Schüssel meint. Im Rahmen dieser Konferenz könnte man dann die Nachbarn der jetzigen Beitrittskandidaten an die EU heranführen, etwa die Ukraine, aber auch die Balkanstaaten. Allerdings gebe es in dieser Frage noch keinen Konsens.

In einem 30stündigen Verhandlungsmarathon hatten sich die politischen Direktoren zuvor auf einen Entwurf für die künftige gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik geeinigt. Diesen wird die finnische Präsident in Helsinki den Staats- und Regierungschefs vorlegen. Ein wichtiger Bestandteil ist die Schaffung einer gemeinsamen europäischen schnellen Eingreiftruppe mit einer Mannschaftsstärke von 50 000 bis 60 000 Mann. Dabei handele es sich nicht um eine Art "stehendes europäisches Heer", versicherte Schüssel in Brüssel.