Salzburger Nachrichten, 6.12.99

EU gibt der Türkei Kandidatenstatus

Außenminister bereiten in Brüssel das Gipfeltreffen der Europäischen Union in Helsinki vor

BRÜSSEL (SN-hkk). Die Staatschefs der EU werden beim Gipfeltreffen in Helsinki Ende dieser Woche dem Drängen der Türken nachgeben und ihr den Kandidatenstatus zuerkennen. Diese brisante Entscheidung werden die Außenminister der EU heute, Montag, in Brüssel vorbereiten.

Voraussichtlich werden sich die Griechen ihre Zustimmung zur Anerkennung der Türkei "abkaufen" lassen. Noch ist unklar, welche Konsequenzen dies haben könnte. Denkbar wäre, dass Zypern als geteilte Insel oder vorerst nur der griechische Teil Zyperns aufgenommen würde. Dies wäre ein Abweichen von dem bisherigen Prinzip, dass Zypern nur als vereintes Land EU-Mitglied werden könnte.

Keinesfalls wird der Türkei ein Termin für Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt werden. Bedingung dafür bleiben Reformen hin zu Demokratie und Marktwirtschaft, wofür Diplomaten in Brüssel eher Jahrzehnte als Jahre veranschlagen.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie weit die EU zu erweitern ist, und zwar nicht nur an der Südost-Grenze, sondern auch im Nordosten: Die Außenminister werden voraussichtlich eine gemeinsame Strategie für die Ukraine verabschieden. Zunächst geht es dabei nur um partnerschaftliche Beziehungen zwischen EU und der Ukraine. Doch irgendwann könnte dies schließlich in einem Beitrittsgesuch münden.

Druck dafür kommt einerseits in der Ukraine: Nach dem Wahlsieg des westlich orientierten Präsidenten Leonid Kutschma erwartet man eine "europäische Perspektive". Zum anderen hat auch Polen am Rande seiner Betrittsverhandlungen mit der Europäischen Union bereits klargemacht, dass es nicht "Ostprovinz der EU" sein wolle.

Weitere Aufgaben der EU-Au-ßenminister sind die Vorbereitung der Entscheidungen über die Verteidigungspolitik, über die Beitrittsverhandlungen der EU mit sechs weiteren Ländern sowie über die Änderungen der EU-Gemeinschaftsverträge.

Kurz vor dem EU-Gipfel in Helsinki hat sich die Christlich-Soziale Union (CSU) in Bayern gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesprochen. "Die Türkei hat mehr Ehrlichkeit im Umgang verdient", hieß es am Sonntag. Dazu gehöre auch, deutlich zu machen, dass eine Vollmitgliedschaft sowohl für die Europäische Union als auch für die Türkei nicht der richtige Weg der Zusammenarbeit sei.

Vielmehr solle eine "differenzierte Integration den Kandidatenländern mit großem wirtschaftlichem Rückstand" eine Teilnahme am Binnenmarkt ohne eine volle Mitgliedschaft ermöglichen.