Kölnische Rundschau, 4.12.99

Schröder will die Türkei nach Europa führen

Einhaltung der Menschenrechte gefordert

Berlin (AP) - Die Bundesregierung will, dass der Türkei bald der Status eines Beitrittskanditaten zur Europäischen Union verliehen wird. Dazu müsse sie jedoch die politischen Kriterien wie die Einhaltung der Menschenrechte sowie eine stabile und rechtsstaatliche Ordnung erfüllen, betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Freitag in seiner Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki. Für diese Absicht erhielt der Regierungschef im Bundestag Beifall und Zustimmung der Koalition. Die Opposition sprach sich grundsätzlich für die Erweiterung aus und verlangte die Klärung von Zuständigkeiten im künftigen Europa. Sie kritisierte, der Einigungsprozess gehe unter der rot-grünen Regierung nicht rasch genug voran. Die Euro-Schwäche sei kein gutes Zeichen. Europa könne nur erfolgreich sein, wenn es in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert sei.

FDP und CDU/CSU machten in der Debatte die Bundesregierung für die aktuelle Schwäche des Euro verantwortlich. Schuld daran sei der politische Zickzackkurs der Bundesregierung, kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schäuble. Das verursache Schwächen auf den internationalen Märkten. Ähnlich äußerte sich der frühere FDP-Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann.

Dagegen wies Außenminister Joschka Fischer den Vorwurf entschieden zurück. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass die jetzige Regierung viele Probleme von der Vorgängerregierung übernommen habe.

Kritik und gute Wünsche

Trotz aller Kritik wünschte Schäuble im Parlament Bundeskanzler Schröder Erfolg beim Gipfel. "Das Beste, was wir in das neue Jahrhundert mitnehmen, ist die europäische Einigung", sagte der Oppositionspolitiker. Die Erweiterung werde jedoch für die Kandidaten und die EU große Übergangsschwierigkeiten mit sich bringen. Er sei sich mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber einig, dass die Bürger verstärkt in den Einigungsprozess einbezogen werden müssten. "Europa muss stark sein, aber es muss nicht alles machen", sagte Schäuble weiter. Daher sei die Kompetenzfrage zu klären - wofür Europa zuständig sei und wofür die einzelnen Staaten.

Zwtl: Keine Abkehr von der Grundorientierung

Vorher hatte Schröder bekräftigt: "Wir wollen eine europäische Türkei." Zur Frage der EU-Erweiterung dürfe man jedoch in Helsinki keine Illusionen nähren. "Wir sollten vielmehr Realisten sein. Und als solche können wir uns nur auf das festlegen, was wir selbst einlösen können." Daher müsse klargestellt werden, wann die EU bereit sei für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten. Mit der absehbaren Aufnahme der mittel- und südosteuropäischen Beitrittskandidaten in die EU werde in Europa ein neues Zeitalter beginnen. "Nach Deutschland steht dann auch Europa vor der Wiedervereinigung", sagte Schröder.

Die Bundesregierung werde "treibende Kraft der europäischen Einigung" bleiben, versicherte der Kanzler. Der Regierungsumzug von Bonn nach Berlin bedeute keine Abkehr von außenpolitischen Grundorientierungen. "Die feste Verankerung in Europa und in der Atlantischen Allianz bleiben die Grundlagen der deutschen Außenpolitik."