HANDELSBLATT, 4.12.99

Schröder will Türkei klare EU-Perspektive geben

Nato-Pflichten nur fair im Tausch gegen weitere Integration

Reuters BERLIN. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, dass die Europäische Union (EU) der Türkei auf ihrem bevorstehenden Gipfel in Helsinki eine klare Beitrittsperspektive gibt. In einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel sagte Schröder am Freitag im Bundestag, man könne nicht einerseits die strategische Bedeutung der Türkei hervorheben und ihr in der Nato große Lasten aufbürden, "wenn wir nicht andererseits auch bereit sind, ihr eine klare politische Perspektive zu geben, die über eine reine Zollunion hinausgeht". Voraussetzung dafür sei aber die Einhaltung der Menschenrechte durch die Türkei.

"Wir wollen eine europäische Türkei, deshalb wollen wir der Türkei auch eine glaubhafte europäische Perspektive eröffnen", sagte der Kanzler. Diese Beitrittsperspektive sei aber kein Blankoscheck. Wie alle anderen Staaten der Europäischen Union (EU) erwarte Deutschland von der Türkei, dass sie die Menschenrechte einhalte, Minderheiten achte und schütze und die Kriterien einer stabilen und rechtstaatlichen Ordnung erfülle. "Hier kann es keine Abstriche geben", sagte der Kanzler. Erst wenn diese Bedingungen erfüllt seien, "stellt sich die Frage nach dem Beginn von tatsächlichen Beitrittsverhandlungen".

Was die Beitritte der Reformstaaten in Mittel- und Osteuropa angehe, trete die Bundesregierung dafür ein, in Helsinki die Aufnahme von Verhandlungen mit Lettland, Litauen, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien zu beschließen. Damit solle die EU ein klares politisches Signal setzen, dass sie die Reformbemühungen dieser Staaten honoriere, sagte Schröder. Bei Zieldaten für den Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit den Ländern, mit denen die Verhandlungen schon laufen, sollte die EU keine Illusionen nähren, sondern realistisch sein. Daher sollte in Helsinki klargestellt werden, dass die EU erst im Jahre 2003 nach der Ratifizierung der Ergebnisse der Regierungskonferenz zur Reform der EU-Institutionen bereit sein werde für die Aufnahme neuer Mitglieder.