sz, 4.12.99

Geplante Erweiterung der EU von allen Parteien unterstützt

Bundestag über Europa-Politik weitgehend einig

Schäuble und Stoiber warnen aber vor Risiken / Bundesregierung will der Türkei klare Beitrittsperspektive geben

Von Hans-Jörg Heims

Berlin - Die Erweiterung der Europäischen Union haben am Freitag im Bundestag Vertreter aller Parteien grundsätzlich befürwortet, jedoch bleiben einzelne Fragen des Prozesses zwischen Regierung und Opposition umstritten. In einer Regierungserklärung anlässlich des EU-Gipfels zum Abschluss der finnischen Ratspräsidentschaft kommende Woche in Helsinki sprach sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dafür aus, dass die EU mit Lettland, Litauen, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Damit gebe die Union ein klares politisches Signal, dass sich Reformbemühungen lohnten.

Schröder lehnte es ab, sich auf ein konkretes Beitrittsdatum für jene mittel- und osteuropäischen Staaten festzulegen, mit denen die EU bereits in Verhandlungen steht. "Die Europäische Union sollte keine Illusion nähren", sagte der Kanzler. Die Union werde erst im Jahr 2003 nach Ratifizierung der angestrebten Reform der EU-Institutionen zur Aufnahme neuer Mitglieder bereit seien.

Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber, begrüßten eine Erweiterung der EU. Gleichzeitig warnten sie davor, die damit verbundenen Herausforderungen zu unterschätzen. Zwar werde es durch die Aufnahme neuer Staaten mehr Absatzmärkte für deutsche Produkte geben, aber es drohten auch finanzielle Mehrbelastungen, verstärkter Druck auf den Arbeitsmarkt und Probleme für die Sicherheit an den Außengrenzen. Die Erweiterung müsse deshalb solide geplant werden, sonst werde nicht die erwünschte Stabilisierung das Ergebnis sein. Stoiber und Schäuble verlangten eine umfassende Reform der EU-Institutionen. Eine Beschränkung auf die drei angestrebten Kernpunkte Stimmengewichtung nach Größe der Länder, Umfang und Struktur der Europäischen Kommission sowie eine größere Zahl von Mehrheitsentscheidungen reiche nicht aus. Vor allem sei eine klare Kompetenzabgrenzung innerhalb der EU notwendig.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, wie schwierig es schon gewesen sei, über diese drei Kernpunkte Einvernehmen in der EU zu erzielen. Mit der Forderung nach Kompetenzabgrenzung würde Deutschland allein dastehen. Solche Regelungen müssten in der geplanten Debatte über eine europäische Verfassung gefunden werden, sagte Fischer. Er und Schröder sprachen sich dafür aus, der Türkei auf dem EU-Gipfel in Helsinki eine klare Beitrittsperspektive zu geben. "Wir wollen eine europäische Türkei, deshalb wollen wir der Türkei auch eine glaubhafte europäische Perspektive eröffnen", sagte der Kanzler. Er stellte aber unmissverständlich klar, dass die Türkei die erforderlichen Aufnahmekriterien wie Wahrung der Menschenrechte und Schutz von Minderheiten erfüllen müsse. "Hier kann es keine Abstriche geben", sagte er.

Regierung und Opposition forderten Großbritannien auf, sich in der Frage einer einheitlichen Zinsbesteuerung in der EU zu bewegen. Er habe wenig Verständnis für eine Politik, die nationale Interessen über die notwendige europäische Solidarität stelle, sagte Schröder. Schäuble forderte den Kanzler auf, einen nationalen Alleingang zu erwägen, falls es mit London zu keiner Einigung komme.

Schröder hob in seiner Rede das gute Verhältnis zu Frankreich hervor. Die deutsch-französische Zusammenarbeit sei fruchtbar und funktioniere gut, sagte er zu Berichten, wonach es zwischen beiden Ländern Differenzen gebe.