taz Nr. 6006 vom 2.12.1999 Seite 10

Zyperngespräche: Zwei Exzellenzen in zwei Zimmern

Bill Clinton und UN-Generalsekretär Kofi Annan bringen diplomatische Bewegung in die Zypernfrage. Zyperngriechen und -türken verhandeln getrennt, aber unter einem Dach Berlin (taz) - Einerseits ist es ganz einfach: Am kommenden Freitag kommt es erstmals seit Jahren zu Gesprächen über eine Überwindung der Teilung Zyperns. Dazu werden sich der Zyperngrieche Glavcos Clerides und sein zyperntürkischer Widerpart Rauf Denktas in New York mit UN-Generalsekretär Kofi Annan treffen.

Andererseits ist die Sache komplizierter: Bevor verhandelt werden kann, muss über die Grundlagen der Verhandlungen verhandelt werden. Und bevor über diese Verhandlungen verhandelt wird, ist es notwendig, darüber zu verhandeln, mit welchen Titeln die verfeindeten Vorverhandlungsführer sich schmücken dürfen. Will heißen: Wie werden Clerides und Denktas genannt? Ersterer ist zweifellos Präsident der Republik Zypern. Letzterer dagegen will zwar Präsident der "Türkischen Republik Nordzypern" sein, doch hat sein Titel leider den Nachteil, dass sein Land von keinem Staat der Welt außer der Türkei anerkannt ist. Als Denktas Mitte November vernehmen musste, er sei nur ein "Mister", Clerides aber "Präsident", drohte er, gar nicht erst nach New York zu reisen. Nun ist den UN-Diplomaten das Kunststück gelungen - Clerides und Denktas heißen gleich: Exzellenz. Und sie werden beide kommen. Doch es werden noch weitere diplomatische Seiltänze notwendig sein, um die Verhandlungen auch zu einem Erfolg werden zu lassen.

Der Exzellenzen-Konflikt ist nur ein Zeichen dafür, wie weit Inselgriechen und -türken politisch voneinander entfernt sind. Ursprünglich verweigerte Denktas jedwede Gespräche, solange sein Land nicht genauso anerkannt ist wie die Republik Zypern. Um ihn umzustimmen, bedurfte es erst des massiven Drucks von US-Präsident Bill Clinton auf den türkischen Premier Bülent Ecevit.

Wie der Streit im Vorfeld erwarten lässt, wird es bei den Verhandlungen in New York zunächst um Statusfragen gehen - und da beginnen schon die Probleme. Die griechische Seite besteht auf der Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats mit starker Zentralregierung. Darüber wollen die Türken aber gar nicht sprechen: Sie verlangen die Einrichtung einer losen Konföderation aus zwei Staaten, womit ihr Land - 1974 durch die Invasion der türkischen Armee entstanden - endlich die diplomatische Anerkennung fände. Das jedoch ist für die Zyperngriechen ausgeschlossen - sie beanspruchen bis zur Gründung des Bundesstaats weiterhin die Alleinherrschaft auf dem internationalen Parkett. Eine Bedingung, die wiederum den Türken und Denktas unerträglich scheint.

Einen Ausweg, so ist zu hören, könnte eine mehrstufige Lösung bieten. Demnach würde die türkische Seite zunächst einen Teil ihres Territoriums den Griechen zurückerstatten. Danach bekäme Denktas zwar nicht die ersehnte internationale Anerkennung, sein Status würde jedoch aufgewertet. Dies soll dann in Gespräche über einen gemeinsamen Staat münden.

Zu sehen bekommen sich Clerides und Denktas möglicherweise überhaupt nicht. Denn die Vorverhandlungen über mögliche spätere Verhandlungen finden in getrennten Räumen statt. Kofi Annan darf zwischen zwei Zimmern pendeln und in dem einen mit Clerides, in dem anderen mit Denktas sprechen. Der UN-Generalsekretär warnte denn auch vor "unrealistischen Erwartungen" bei diesem "komplizierten und schwierigen Problem".

Dennoch: Die New Yorker Gespräche schüren erstmals sei Jahren die Hoffung, dass Bewegung in den erstarrten Zypernkonflikt kommt. Der verbreitete Optimismus ist vor allem auf das Engagement von Clinton zurückzuführen. Der US-Präsident ist offenbar entschlossen, den von zwei Erdbeben bewirkten griechisch-türkischen Frühling zu nutzen, um mit dem Zypernkonflikt den entscheidenden Krisenherd zwischen Athen und Ankara aus dem Weg zu räumen. Von einer amerikanischen "Straßenkarte", die die Verhandlungen auf den rechten Weg führen soll, sprach vergangene Woche Clerides. Europa, dass mit der Republik Zypern Verhandlungen über eine Mitgliedschaft führt, spielt in New York keine Rolle. In den Augen der Türkei hat sich die EU durch ihre Unterstützung der Republik Zypern desavouiert. Es bedurfte wieder einmal der Vereinigten Staaten, um - wie im Fall Bosniens - Bewegung zu erreichen.

Etwa zehn Tage sollen die beiden Exzellenzen Clerides und Denktas getrennt in New York verbringen. Unterbrochen werden die Verhandlungen durch den EU-Gipfel in Helsinki am 10. und 11. Dezember, bei dem es auch um die Beitrittsperspektiven der Türkei geht. Helsinki könnte die New Yorker Gespräche beflügeln - oder auch zum Stillstand bringen. Und so sind die Europäer indirekt doch noch an den Zypernverhandlungen beteiligt.

Klaus Hillenbrand