sz, 2.12.99

Rede vor dem Europaparlament:

Prodi: Kandidatenstatus für Türkei

"EU-Beitritt aber von Achtung der Menschenrechte abhängig"

Von Christina Rathmann Brüssel - Der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi, hat die Regierungen der EU-Staaten dazu aufgerufen, der Türkei den offiziellen Kandidatenstatus zuzusprechen. In einer Rede vor dem Europäischen Parlament sagte er, dass der Türkei dadurch ein Anreiz gegeben werde, die so genannten Kopenhagener Kriterien einzuhalten. Diese machen vor allem die Einhaltung der Menschenrechte zur Bedingung für die Aufnahme in die Europäische Union. Beitrittsverhandlungen mit der Türkei könnten allerdings erst beginnen, wenn die Kriterien erfüllt seien, sagte Prodi. Bei dem EU-Gipfel in Helsinki in zehn Tagen sollten die Regierungschefs auch beschließen, mit sechs Ländern Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, verlangte der Kommissions-Präsident. Die Kommission hatte Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und die Slowakei für die ersten Verhandlungen vorgeschlagen.

Die Erweiterung solle ein "vollständig flexibler Prozess mit verschiedenen Geschwindigkeiten" sein, bei dem mit jedem Land entsprechend seiner politischen und wirtschaftlichen Fortschritte verhandelt werden solle. In etwa drei Jahren erwarte er die Aufnahme der ersten neuen EU-Mitglieder.

Prodi begrüßte die Bestrebungen der Mitgliedstaaten, in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik künftig enger zusammen zu arbeiten. Dies setze die Schaffung einer europäischen Verteidigungsindustrie voraus, die technologisch und finanziell wettbewerbsfähig sei. "Die Kommission hat vor, dies zu fördern durch die Instrumente, die sie für den Binnenmarkt, beim Handel und Wettbewerb in der Hand hat." Vor der Erweiterung der Union müssten die institutionellen Reformen abgeschlossen sein, sagte Prodi. Er forderte die Regierungschefs auf, die dazu erforderliche Regierungskonferenz möglichst rasch auf den Weg zu bringen. Die nötigen Reformen müssten bis Ende 2002 abgeschlossen sein.