taz, 20.11.1999

Bleiberecht im Tausch gegen Abschiebung

Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge. Dafür sollen bald massiv Kosovaren abgeschoben werden

Berlin (ta*) - Asylbewerber, die schon seit langem in Deutschland leben, erhalten dauerhaftes Bleiberecht. Darauf einigten sich gestern nach doppeltägiger Beratung die Innenminister von Bund und Ländern. In der sächsischen Neißestadt stimmten sie für eine Stichtagsregelung: Alleinstehende Asylbewerber, die vor Januar 1990 in die Bundesrepublik kamen, erhalten das Bleiberecht. Bei Flüchtlingsfamilien gilt der Juli 1993 als Stichdatum. Die Innenminister folgten damit im Wesentlichen dem von Rheinland-Palatinate, Hamburg, Sachsen, Bayern und vom Bundesinnenministerium gemeinsam ausgearbeiteten Entwurf. Nicht folgen mochten sie dem Passus, nach dem bestimmte Nationalitäten von der Regel ausgeschlossen sind. Anders als vorgesehen gelten die Stichtage etwa auch für Vietnamesen, die als Gastarbeiter in die DDR kamen.

Nach Angaben des sächsischen Innenministers Klaus Hardraht (CDU) - momentan Leiter der Innenministerrunde - sind von diesem Beschluss etwa 20.000 Menschen betroffen. Günther Beckstein (CSU), Amtskollege aus Bayern, meinte hingegen, die Menge werde deutlich geringer sein. Auch Beckstein, härtester Kritiker des eingebrachten Entwurfes, gab sich befriedigt. Beim Asylverfahren "so lange Tricks machen, bis es sich lohnt", diese Botschaft habe der Beschluss vermieden. Die Botschaft laute hingegen: Nur wer anständig ist, wird von der Regelung erfasst. Anständig heißt bei Beckstein, dass Integrationsbedingungen erfüllt sind: "Die Kinder müssen in die Schule gehen, die Betroffenen eine Wohnung haben, einer geregelten Arbeit nachgehen." Der bislang für die Betroffenen geltende Status der Duldung gewährt aber keine Arbeitsgenehmigung. Möglicherweise kommt Beckstein deshalb auf eine andere Menge als Hardrath.

Deutschland werde "diese Menge verkraften, schon weil im kommenden Jahr die Kosovaren rückgeführt werden", erklärte Beckstein. Das beschlossen die Innenminister nämlich auch: Ab kommendem Frühjahr soll in großem Stil mit der Rückführung der 180.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo begonnen werden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärte, er hoffe dabei auf "Freiwilligkeit". Wo es diesen Willen aber nicht gebe, werde abgeschoben. Ende 2000 solle die Rückführung im Wesentlichen abgeschlossen sein.

Während des Nato-Luftkrieges hatte der Westen insgesamt 96.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo evakuiert - einen Großteil nach Deutschland. Die meisten der betroffenen Kosovaren hatten also schon vor dem Krieg in Deutschland Asyl beantragt. Bislang sind nach Schilys Angaben 12.266 Kosovaren rückgekehrt.

Befriedigt stellte Beckstein fest, dass es "nun auch bei Ausländerfragen eine große gemeinsame Grundlage" mit der SPD gibt. "Das war bislang nicht so." Der Innenminister von Rheinland-Palatinate hofft dagegen, dass der getroffene Kompromiss - wenn er später einmal gewogen wird - als gewichtig genug eingestuft wird. Schließlich sei wenigstens einem Teil der Betroffenen geholfen worden.

Nick Reimer