Die Presse (A), 30.9.2000

Frau soll Khatami Wähler abspenstig machen

Iran. Die Kandidatur Farah Khosravis zur Präsidentenwahl könnte dem Wächterrat gerade recht kommen.

Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN

ISTANBUL/TEHERAN. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Iran 1997 war eine Frau aus dem Reformlager am konservativen Wächterrat gescheitert: Sie wurde als Kandidatin nicht zugelassen. Für die kommenden Präsidentenwahlen im Frühjahr 2001 unternimmt nun Farah Khosravi einen neuen Anlauf. Die 41jährige Betriebswirtin arbeitet als Beauftragte für Sport im Ministerium für Wissenschaft und Technologie. Nebenher ist sie Generalsekretärin der wenig bekannten konservativen Partei Djamiyyat-e Iran-e Farda (Gesellschaft des zukünftigen Iran). Ob sie zur Wahl antreten kann, hängt von der Interpretation eines Wortes in der iranischen Verfassung ab. Demnach kann der Präsident nur aus dem "ridjal" gewählt werden. Das Wort ist die Mehrzahl des arabischen Wortes "radjul" - "Mann". Das gebräuchliche Wort für Mann ist im Persischen "mard". Die Fremdworte "radjul" und "ridjal" werden im Persischen nur dann benutzt, wenn es sich um eine besonders angesehene Person handelt. Einige Theologen argumentieren, der eigentliche Sinn der Klausel sei, daß der Präsident eine angesehene Person sein müsse - und dies könne genausogut eine Frau sein. Für die Reformgegner könnte es verlockend sein, mit einer weiblichen Gegenkandidatin dem moderaten Präsidenten Khatami bei seiner Wiederwahl Stimmen abzuknöpfen. Von Khatami ist bekannt, daß er überproportional von Frauen und Jugendlichen gewählt wurde. Ob Khosravi die richtige Frau ist, um Khatami zu gefährden, scheint jedoch fraglich - zumal sie bereits zweimal vergeblich für einen Parlamentsitz kandidiert hat. Khatamis Frauen-Liaison

Die Präsidentschaft Khatamis hat für die Iranerinnen eine Reihe von Verbesserungen gebracht. Unter anderem wurden wieder Frauen im Richteramt zugelassen, wenn auch nur auf untergeordneten Posten. Mit Masume Ebtekar wurde das erste Mal eine Frau Stellvertreterin des Präsidenten. Nun sollen auch Frauenzentren eingerichtet werden. Ein von den Reformern im Parlament eingebrachtes neues Scheidungsrecht scheiterte jedoch am Veto des Wächterrates. Auch auf anderen Gebieten, wie dem Vormundschafts- und Erbrecht und der Gleichstellung männlicher und weiblicher Zeugen vor Gericht, wäre noch Spielraum für eine Besserstellung der Frau.

Doch solche Veränderungen würden eine wirkliche Neuinterpretation des islamischen Rechtes erfordern. Es ist mehr als fraglich, ob dazu die Macht Khatamis ausreicht - und ob er überhaupt so weit gehen will. Von Farah Khosravi wären solche Veränderungen aber schon gar nicht zu erwarten.