Frankfurter Rundschau, 29.9.2000

Breites Bündnis für das Asylrecht

Süssmuth warnt vor Diffamierung von Flüchtlingen

BERLIN, 28. September (vgo/epd). Die Vorsitzende der Einwanderungskommission der Bundesregierung, Rita Süssmuth (CDU), hat davor gewarnt, Asylberwerber als "Wirtschaftsflüchtlinge" zu diffamieren. Mitmenschlichkeit dürfe nicht zur ökonomisch kalkulierten Größe verkommen, sagte die frühere Bundestagspräsidentin nach einem vorab verbreiteten Redemanuskript am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Deutschen Stiftung für UN-Flüchtlingshilfe.

Führende Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und der DGB haben in einem gemeinsamen "Memorandum zum Schutz der Flüchtlinge" dazu aufgerufen, bei der Einwanderungsdebatte nicht das Asylgrundrecht anzutasten. Das ungewöhnlich breite Bündnis, dem neben Amnesty International und Pro Asyl die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas und das Rote Kreuz angehören, erteilte auch aktuellen Überlegungen, das individuelle Grundrecht auf Asyl durch eine Institutsgarantie zu ersetzen, eine Absage. In ihrem Memorandum zum heutigen "Tag des Flüchtlings" betonen die zehn Unterzeichnerorganisationen, das deutsche Asylrecht nehme innerhalb Europas keine Sonderstellung ein. Der individuelle Schutz vor Verfolgung entspreche völkerrechtlichen Abkommen. Auch die Chance, abschlägige Asylentscheidungen von unabhängigen Instanzen prüfen zu lassen, sei in vielen Staaten verankert. Die europäische Harmonisierung des Asylrechts verlange nicht, die deutschen Rechtswege für Flüchtlinge zu begrenzen.

Das Memorandum plädiert weiter dafür, das deutsche Ausländergesetz so zu ändern, dass gemäß Genfer Flüchtlingskonvention auch die Verfolgung durch nichtstaatliche Täter als Fluchtgrund anerkannt wird. Die Unterzeichner kritisierten die Zusammensetzung der Einwanderungskommission. Die glänze zwar mit bekannten Namen, rügte der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Manfred Ragati. Wohlfahrtsverbände, die die Integrationsarbeit leisteten, seien nicht vertreten.

Auch die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, hat davor gewarnt, "über den Umweg der Zuwanderungskommission die Axt ans Asylrecht zu legen". Das sei mit den Grünen nicht zu machen. Für die Flüchtlingspolitik der rot-grünen Koalition zog Müller eine "durchwachsene" Halbzeitbilanz. Zwar sei kein Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik gelungen, aber die "Negativspirale" gestoppt.