Westfalenpost, 27.9.2000

Gemeinde kämpft für Kurdenfamilie Von Irina Wolk Hagen.

(WP) Vor neun Jahren reiste Savci Gezginci in die Bundesrepublik ein, zwei Jahre später folgte seine Frau. Vier Kinder sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Jetzt soll die Familie in die Türkei abgeschoben werden. Dort wartet eine ungewisse Zukunft.

Das glauben zumindest Pfarrer Jürgen Schäfer und Mitglieder der Kirchengemeinden Paulus und Haspe. Sie gingen gestern in die Offensive und erzählten die Geschichte der sechs Flüchtlinge:

Der 1991 nach der Einreise gestellte Asylantrag wurde vom Bundesamt ebenso wie die dann eingereichte Klage abgelehnt. Auch die für jedes der Kinder gestellten Anträge scheiterten. Zum 19. Oktober 1999 wurde das Verfahren der Gezgincis letztinstanzlich entschieden. Abschiebung im November 2000.

Den Pfarrer ärgert besonders, dass die sogenannte Altfallregelung (sie gilt für Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben) nicht greift: Eine der Bedingungen für ihre Anwendung lautet, dass der Asylsuchende zum jeweiligen Stichtag nicht von der Sozialhilfe abhängig sein darf. "Savci Gezginci, der bereits eine Stelle vorweisen konnte, erhielt aber keine Arbeitserlaubnis. Denn statt einer Duldung hatte das zuständige Amt nur eine Grenzüberschrittsbescheinigung ausgestellt, mit der die nötige Erlaubnis nicht erteilt werden kann", erklärt Jürgen Schäfer.

Dass der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde innerhalb des rechtlich möglichen Rahmens gehandelt habe, streiten der Pfarrer und Seyed Sattari, Flüchtlingsberater des Diakonischen Werkes, nicht ab. Sie fagten gestern: "Warum wurde hier bewußt die Nutzung von Spielräumen verweigert und rücksichtslos Druck ausgeübt?" Mit kurzfristigen Bescheinigungen sei die Familie immer wieder eingeschüchtert worden. "Dabei ist die Ausreise ohne Pässe, deren Ausstellung Monate dauert, gar nicht möglich", so Sattari. Er glaubt, dass der Fall bei einem anderen Sachbearbeiter anders ausgegangen wäre. "Die Geszgincis haben kein Glück gehabt."

Ronahi, die älteste Tochter, besucht bereits die Schule. Die Türkei haben alle vier Kinder nie gesehen. Absehbar sei, so der Flüchtlingsberater, dass dem kurdischen Vater Verhöre mit unbekannter Dauer bevorstünden. "Der lange Aufenthalt in der Bundesrepublik und die Weigerung des Mannes, gegen kurdische Rebellen vorzugehen, liefern Grund zur Besorgnis."

Kritik äußerte der Pfarrer auch darüber, dass die Arbeit der Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werks von der Stadt nicht mehr finanziert wird. "Ohne Hilfe von Herrn Sattari wäre ich als Außenstehender vollkommen überfordert gewesen."