junge Welt, 27.09.2000

Bittbrief an Regierung

Hungerstreik im Knast Moers gegen drohende Abschiebung nach Sri Lanka

Bereits seit dem 4. September befinden sich in der Haftanstalt Moers vier tamilische Flüchtlinge im Hungerstreik gegen ihre drohende Abschiebung. Seit dem 18. September unterstützt eine von der Bielefelder Solidaritätsgruppe für das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen, dem Internationalen Menschenrechtsverein Bremen, der PDS und örtlichen Flüchtlingsgruppen initiierte Mahnwache die Forderungen der vier Männer aus Sri Lanka. Ziel der Aktion ist, die Abschiebung zu verhindern.

N. Rajakanthan, S. Sundralingam, P. Gunasingam und T. Marutheswaran haben sich mit einem Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt. Darin kritisieren sie, daß »Asylbegehren in Deutschland von Tamilen nicht ausreichend berücksichtigt« werden. »Trotz besseren Wissens der Regierung und der Justiz« würde ein »Übermaß an Abschiebungen der tamilischen olksgruppe« vorgenommen. Die Tamilen, so heißt es weiter in dem Schreiben, werden »in Sri Lanka verfolgt, inhaftiert, gefoltert, vergewaltigt und getötet«. Die Hungerstreikenden »bitten die deutsche Regierung« darum, einen Abschiebestop zu verhängen. Am 23. März 1999 hatte sich im gleichen Abschiebeknast Moers ein 39jähriger Tamile aus Angst vor der Abschiebung das Leben genommen. Velupillai Balachandran hatte zuvor ebenfalls versucht, mit einem Hungerstreik seine Abschiebung zu verhindern.

Tatsächlich hatte der Sachverständige und Gerichtsgutachter Walter Keller-Kirchhoff erst kürzlich bei einer Reise nach Sri Lanka die Gelegenheit, mit Menschen zu sprechen, die in einer Gruppe von 18 Flüchtlingen am 16. März 2000 aus Nordrhein-Westfalen nach Colombo abgeschoben worden waren. Keller-Kirchhoff erhielt Einsicht in Unterlagen der Polizei und in ärztliche Atteste. Mindestens zehn der Abgeschobenen waren offensichtlich mißhandelt und gefoltert worden. Kleinlaut kommentierte die deutsche Botschaft in Colombo, ihre Recherchen seien wohl etwas unvollständig gewesen.

Das Auswärtige Amt in Berlin sieht offenbar keinen Handlungsbedarf. Bereits im Mai hatte der Arbeitskreis Asyl Nordrhein-Westfalen aus Köln den Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Sri Lanka massiv kritisiert. Claus- Ulrich Prölß, Vorsitzender des AK Asyl NRW, forderte in einem Schreiben an Innenminister Otto Schily, Außenminister Joseph Fischer und den Innenminister von NRW, Fritz Behrens, Abschiebungen nach Sri Lanka sofort auszusetzen. Hintergrund des damaligen Protests war das von der Regierung verfügte Kriegsrecht, das den Behörden weitgehende Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung einräumt. Zuletzt war in Sri Lanka vor 51 Jahren das Kriegsrecht ausgerufen worden. Die Lage droht nun, kurz vor den Parlamentswahlen im Oktober, weiter zu eskalieren. Die vier tamilischen Flüchtlinge in Moers befürchten, daß willkürliche Verhaftungen gegenüber der tamilischen Bevölkerung in Colombo zunehmen werden. Ausreichend wurde nachgewiesen, daß nach einer Verhaftung die Folter droht. Die Hungerstreikenden wollen ihre Aktion mit allen Konsequenzen bis zu einem Abschiebestop nach Sri Lanka durchführen. Die Pressestelle des Innenministeriums von Nordrhein- Westfalen wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Allgemein sei für Volksgruppen kein Abschiebestop vorgesehen, alles andere sei die Frage einer Einzelfallprüfung.

Täglich beteiligen sich bis zu einhundert Personen, zumeist Tamilen, an der Mahnwache. Der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden sei am 22. Tag stabil, heißt es aus dem Unterstützerkreis. Die Reaktion der Bevölkerung, so eine Aktivistin des Bremer Menschenrechtsvereins, sei »überraschend gut«. Eine Anwohnerin bringe sogar jeden Morgen eine Tüte Brötchen für die Teilnehmer der Mahnwache vorbei. In Duisburg seien bereits 3000 Unterschriften gegen die drohende Abschiebung gesammelt worden. Die Unterstützergruppen haben sich mit ihrem Anliegen an Abgeordnete verschiedener Parteien sowie an den Petitionsausschuß (Härtefallkommission) des nordrhein- westfälischen Landtages gewandt. Für den kommenden Samstag ist in Düsseldorf eine bundesweite Demonstration geplant.

Karin Leukefeld

* Informationen über Internationaler Menschenrechtsverein Bremen e.V., Tel: 0421-5577093