Kölner Stadt-Anzeiger, 27.9.2000

Union rügt die EU

"Kompromiss über Asyl in Gefahr"

jf Berlin - Die Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU ist nach Ansicht von CDU und CSU ein schädlicher Rückschritt für Deutschland. Einzelbestimmungen im ersten Entwurf zu einem gemeinsamen europäischen Asylrecht, den die EU-Kommission verabschiedet hat, würden den deutschen Asylkompromiss aus dem Jahr 1993 aufs Spiel setzen, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Hartmut Nassauer. Er kritisierte vor allem, dass die geltende "Drittstaaten-Regelung" im EU-Entwurf "bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt" werde.

Ein Asylantrag kann nach deutschem Recht als unzulässig abgelehnt werden, wenn der Bewerber aus einem "sicheren Drittstaat" kommt. Nähme die EU - wie im Entwurf vorgesehen - in die Definition des "sicheren Drittstaates" das Moment "persönlicher Bindungen" auf, dann würde die Wahl des Asylstaats ins Belieben des Bewerbers gestellt, warnte Nassauer. Unionsfraktions-Vize Wolfgang Bosbach meinte, über das europäische Recht drohe eine "Säule des Asylkompromisses zu kippen". Als Folge stiege die Zahl der Asylbewerber massiv.

Als "Etikettenschwindel" attackierte die Union die geplanten EU-Regeln zur Familienzusammenführung. In Wirklichkeit gehe es nicht um den Nachzug von Angehörigen, sondern um Einwanderung. Die SPD im Europäischen Parlament sei mit ihrer Zustimmung für die Vorlage der EU-Kommission dem deutschen Innenminister Otto Schily (SPD) "in den Rücken gefallen", sagte die christdemokratische Europa-Parlamentarierin Ewa Klamt.

Der EU-Entwurf fasse den Begriff der Familie "entschieden zu weit", so Klamt. Unverheiratete Partner, Großeltern und volljährige Kinder von Asylbewerbern könnten so in die EU kommen. Bosbach sprach für Deutschland von 200 000 bis 500 000 Menschen jährlich. "Damit würde jede andere Form von Zuwanderung quasi unmöglich."