Die Welt, 27.9.2000

Fischer warnt vor Diskussion um Asylrecht

In der SPD steht Schily fast allein. Die Union ist gegen eine EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung

Von Armin Fuhrer

Berlin - In der Bundesregierung bahnt sich Streit um eine Änderung des Asylrechts an. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte jetzt davor, in der aktuellen Diskussion um ein Zuwanderungsgesetz das Asylrecht einzubeziehen. "Das Asylrecht bleibt unantastbar", so Fischer im Fernsehsender N-tv. Wer dies ändern wolle, werde innerhalb der Koalition scheitern. Fischers Äußerungen sind eine Warnung an Innenminister Otto Schily (SPD), der jüngst in einem WELT-Interview "Denkverbote" bei der Debatte um Zuwanderung abgelehnt hatte. Schily steht allerdings mit seiner Meinung auch in der eigenen Fraktion weitgehend alleine da. Auch in einer weiteren ausländerrechtlichen Frage musste der Innenminister gerade eine Schlappe einstecken. Die SPD-Europa-Abgeordneten hatten jüngst dem von Schily abgelehnten Entwurf einer EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung zugestimmt, die den Begriff Familie sehr weit zieht. So können der Richtlinie zufolge künftig beispielsweise unverheiratete und gleichgeschlechtliche Partner von Drittstaatlern in die EU einreisen, ohne dass eine Kontrolle über eine tatsächliche Partnerschaft möglich wäre. Zudem können alle Familienangehörige bis in die Großelterngeneration ebenfalls einreisen. CDU/CSU und die Europäische Volkspartei (EVP) befürchten, dass jährlich bis zu 500 000 Drittstaatler allein nach Deutschland einreisen werden. "Das macht jede weitere Debatte über eine Regelung der Zuwanderung überflüssig", kritisierte die EVP-Europaabgeordnete Ewa Klamt.

Scharfe Kritik übt die Union ebenfalls am Entwurf der EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Asylrechts auf EU-Ebene. Insbesondere Artikel 22 sei problematisch. In ihm werde zwar festgelegt, dass der Antrag eines Asylbewerbers unbegründet sei, wenn er über einen sicheren Drittstaat in die EU eingereist sei. Aber andererseits liege ein Ablehnungsgrund nur dann vor, wenn der Asylbewerber eine subjektive Beziehung zu diesem Drittstaat habe. Dies könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn in dem Drittstaat ein Angehöriger der Familie des Asylbewerbers lebe. Damit werde das Instrument der Drittstaatenregelung aus dem deutschen Asylkompromiss von 1993 bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, kritisiert die Union. Auch die Bestimmung im Richtlinienentwurf, nach der der Antrag eines straffällig gewordenen Asylbewerbers nur im Falle eines schweren Vergehens abgelehnt werde dürfe, lehnen Union und EVP ab.

Eine von der Union geforderte Änderung des Grundrechts auf Asyl sei zwar wegen der geplanten EU-Richtlinie rechtlich nicht nötig, weil sie lediglich Mindestforderungen stelle, sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach. Allerdings werde die faktische Entwicklung Deutschland, das als einziges Land in der EU einen individuellen Anspruch auf Asyl in der Verfassung verankert hat, letztlich dazu zwingen, da Deutschland andernfalls wieder erheblich interessanter für Asylbewerber werde.