Süddeutsche Zeitung 27.09.2000

Mehrere Dutzend Verletzte

Straßenschlachten bei IWF-Tagung in Prag

Polizei setzt gegen militante Demonstranten Wasserwerfer und Tränengas ein

Von Daniel Brössler


Prag – Begleitet von schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Globalisierungsgegnern hat am Dienstag in Prag die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) begonnen. Die tschechischen Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein. Einige Demonstranten warfen mit Steinen und Molotow-Cocktails. Auf Seiten der Polizei gab es mindestens 20, auf Seiten der Demonstranten mehr als zehn Verletzte. Schon vor Beginn der Tagung war befürchtet worden, in Prag könnte es ebenso zu gewalttätigen Szenen kommen wie bei der Welthandelskonferenz im vergangenen Jahr in Seattle.

Während im Internationalen Kongresszentrum der tschechische Präsident Vaclav Havel die Jahrestagung eröffnete, kamen etwa 7000 Demonstranten aus ganz Europa zu einer genehmigten Kundgebung auf dem Prager Friedensplatz zusammen. Trotz eines Verbots der tschechischen Behörden zogen sie dann in drei Gruppen auf verschiedenen Routen zum Kongresszentrum. Etwa 500 Meter vom Tagungsort entfernt wurden sie von der Polizei gestoppt. Sondertruppen, die mit Wasserwerfern, Tränengas-Geschossen und Gasmasken ausgerüstet waren, verhinderten ein Vordringen der Demonstranten. Havel forderte die Demonstranten auf, die Gewalt zu beenden.

Weltbank-Präsident James Wolfensohn ging in seiner Rede vor den Finanzministern und Notenbankchefs aus 182 Ländern auf die Demonstranten ein. „Ich bin sicher, dass viele von ihnen legitime Fragen stellen. Ich begrüße den Willen der neuen Generation, gegen die Armut zu kämpfen.“ Voran komme man aber nur, wenn man konstruktiv und respektvoll miteinander umgehe.

Während ein Großteil der Demonstranten friedlich blieb, lieferten sich militante Globalisierungsgegner unter anderem von der italienischen Gruppe „Ya Basta“ Straßenschlachten mit der Polizei. An einigen Stellen mussten die Sicherheitskräfte zurückweichen. Immer wieder forderte die Polizei die Demonstranten auf, die Versammlung aufzulösen. Am frühen Abend waren die Teilnehmer der Tagung im Konferenzzentrum eingeschlossen, weil die Polizei es ihnen untersagte, den Tagungsort zu verlassen.

Die tschechische Initiative gegen ökonomische Globalisierung (Inpeg), die zu der Demonstration eingeladen hatte, hatte gewaltfreien Protest angekündigt, gleichzeitig aber Verständnis dafür geäußert, wenn Demonstranten „zurückschlagen“. Die aus Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland angereisten Globalisierungsgegner waren in den vergangenen Tagen in einem Trainingscamp auf die Demonstration vorbereitet worden. Dort wurde mit einem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gerechnet. So könne der Weltöffentlichkeit die „Gewalt des Staates“ demonstriert werden, sagte eine Ausbilderin. In den weiter vom Kongresszentrum entfernten Teilen Prags blieb es am Dienstag ruhig. Ein großer Teil der Prager Bevölkerung hatte die Stadt vorsorglich verlassen. (Wirtschaft)