Neue Zürcher Zeitung, 23.09.2000

Französischer Protest gegen das Uno-Embargo im Irak

Direktflug aus Paris ohne Bewilligung

vk. Limassol, 22. September

Am Freitagnachmittag ist ein französisches Zivilflugzeug, das erste seit der Verhängung der Uno-Sanktionen vor zehn Jahren, mit etwa 80 Passagieren von Paris kommend auf dem internationalen Flughafen von Bagdad gelandet. Das Flugzeug war von einer Aktivistengruppe gechartert worden, um die Wirkungslosigkeit des Embargos für die Zivilluftfahrt zu beweisen. An Bord waren Ärzte und Krankenschwestern, die den Dienst in irakischen Spitälern antreten wollen, sowie eine Reihe von Sportlern, Journalisten und Künstlern, die planen, an den zehntägigen Festspielen von Babylon teilzunehmen. Die Flugroute führte über die Türkei und Syrien. Mit stillschweigender Duldung der französischen Behörden haben die Veranstalter mit der Zweideutigkeit gespielt, dass die Uno-Sanktionen humanitäre Hilfe ausdrücklich zulassen. Das Sanktionskomitee der Weltorganisation hatte noch am Freitagmorgen eine Verzögerung des Flugs gefordert, um die Möglichkeit einer Bewilligung zu überprüfen. Weil die Gruppe trotzdem abflog, verurteilten Amerika und Grossbritannien die Aktion als Verstoss gegen die Sanktionen.

Die Iraker waren hocherfreut über die fliegenden Vorboten einer erhofften Öffnung, und sie sandten zu ihrem Empfang eine hohe Delegation des Aussen- und des Verkehrsministeriums sowie des Irakischen Olympischen Komitees, welches Saddam Husseins Sohn Uday untersteht. Der Leiter des Aktionskomitees, ein Franzose arabischer Abstammung, erklärt in Bagdad stolz, nun könne jeder sehen, dass es gar kein Luftverkehrsembargo gebe. In Paris war bereits die Rede von einem weiteren Flug Ende September. Das französische Aussenministerium äusserte sich mehrfach in dem Sinne, dass dieser Teil der Sanktionen aufzuheben sei wie überhaupt das ganze Embargo. Zwei russische Flugzeuge hatten zuvor durch ihre Landung in Bagdad schon angezeigt, dass auch Moskau diese Barriere zu durchbrechen sucht. Amerika dürfte nun jedoch auf Gegenmassnahmen im Uno-Sicherheitsrat sinnen, da es diese Erosion der Sanktionen, verursacht von ständigen Mitgliedern des Rats, nicht hinnehmen kann.