Badische Zeitung, 21. September 2000

Ebringer Bürger sammeln Unterschriften für Bleiberecht

Unterschriften für kurdische Familie

EBRINGEN (sti). Mit einer Unterschriftensammlung und einer an den Landtag gerichteten "Stopp-Petition" wendet sich die katholische Kirchgemeinde St.'Gallus gegen die drohende Abschiebung einer seit sieben Jahren in Ebringen lebenden kurdischen Flüchtlingsfamilie mit fünf Kindern. Die Bürger fordern ein Bleiberecht für die Familie.

Vor dem Hintergrund des gestrigen Weltkindertages wies Pfarrer Herrmann darauf hin, dass Familie B. bei einer Abschiebung ins Nichts gestoßen würde. Sie werde nicht in ihre (inzwischen besetzte) Heimat nach Kurdistan geschickt, sondern in den türkisch dominierten Westteil des Landes. Die Kinder sprechen und schreiben jedoch ausschließlich kurdisch und deutsch. Zwei der fünf Kinder sind erst in Deutschland geboren.

"Bei einer Abschiebung setzen wir sie der Gefahr für Leib und Leben aus." Die Auffassung des Pfarrers, das dies untragbar ist, teilt auch ein Arbeitskreis in der Kirchgemeinde, dessen Mitglieder sich jetzt fast täglich treffen.

Wie viel Zeit noch bleibt, ehe in nächtlicher Morgenstunde die Polizei vor der Tür steht und die Familie innerhalb einer Stunde die Wohnung zu verlassen hat, ist ungewiss: Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Juni eine Klage gegen den "Widerruf der Feststellung von Abschiebungshindernissen" abgewiesen hat, ist die Angst vor Abschiebung enorm gewachsen.

Am vergangenen Montag teilte das Regierungspräsidium Freiburg in einer Pressemitteilung mit, dass der Familie "das Angebot gemacht" wurde, "sich über eine freiwillige Erfüllung der bevorstehenden Ausreisepflicht Gedanken zu machen." Das Gericht hatte in seinem Urteil verkündet, dass kurdische Rückkehrer "hinreichend sicher" vor "asylrelevanter Verfolgung" seien.

Amnesty international stellt dagegen fest, dass viele abgeschobene Kurden sofort bei Ankunft in der Türkei festgenommen und gefoltert werden. Im Dorf Nusaybin in Anatolien habe die türkische Polizei schon viermal bei den Großeltern nachgefragt, wo der jetzt in Ebringen sicher lebende Familienvater steckt, berichtet die Familie. Das Verwaltungsgericht nannte jedoch ihr "Verfolgungsschicksal in der Türkei unglaubhaft, da völlig widersprüchlich".

Eine Abschiebung sei "derzeit noch kein Thema" teilt das Regierungspräsidium mit. Unter anderem ist noch nicht über einen Antrag der Familie "auf Erteilung eines Bleiberechtes" nach der so genannten Härtefallregelung entschieden. Diese Regelung beinhaltet, dass abgelehnte Asylbewerber, die vor dem 1.'Juli 1993 in die Bundesrepublik eingereist sind und am 19.'November 1999 eine Arbeit hatten und ihre Familie selbst ernährten, eine Aufenthaltsbefugnis erhalten sollen. Der Familienvater arbeite seit vier Monaten bei einer Abrissfirma. Zuvor war er auf Lohnsteuerkarte bzw. 630-Mark-Basis unter anderem bei einer Baufirma beschäftigt - "mit Wissen des Sozialamtes", wie Pfarrer Hermann betont. Außerdem habe er sich beim Arbeitsamt um Arbeit bemüht. "Es ist also absurd, wenn man ihm nun vorwirft, dass er sich nicht um Arbeit gekümmert hätte. Da hat die Behörde schlampig recherchiert", sagt er.

Außerdem ist die Abschiebung solange nicht möglich, wie der Asylantrag für das Baby der Familie, den zwei Monate alten Rezza, noch läuft. Ein weiterer wird womöglich noch für die fünfjährige Tochter eingereicht.