junge Welt, 21.09.2000

Was wird aus Zypern?

jW sprach mit Dorothee Pilavas, Geschäftsführerin des Deutsch-Zyprischen Forums

F: Kürzlich meinte die taz, daß wenige Tage vor Beginn der vierten Runde der Zypern-Verhandlungen die Hoffnungen auf eine Überwindung der Teilung auf einen Nullpunkt gesunken seien. Inwieweit können Sie dem zustimmen?

Momentan hört man aus New York recht wenig, da eine Informationssperre verhängt worden ist, während die Gespräche laufen. Bislang haben wir jedenfalls keine positiven Signale gehört. Die beiden Positionen sind klar. Der Norden drängt auf Anerkennung, bevor er sich überhaupt zu Gesprächen zusammensetzt, und der Süden verweigert das natürlich, auch aufgrund der UNO-Resolutionen. Es ist im Moment eine wirklich sehr verfahrene Situation. Zwar gab es nach dem Helsinki-Gipfel die große Chance, daß überhaupt wieder Verhandlungen aufgenommen wurden. Aber inwieweit diese Verhandlungen nun zu einem Ergebnis führen, ist schwer zu sagen.

F: Welche Rolle spielt das Deutsch-Zyprische Forum in dieser Situation?

Das Deutsch-Zyprische Forum ist eine Nichtregierungsorganisation, und wir bemühen uns um die Annäherung von türkischen und griechischen Zyprioten. Wir wollen dazu beitragen, daß sich die Menschen von beiden Seiten der »Green Line« in Zypern treffen, begegnen und sich wieder neu kennenlernen können. Das Deutsch-Zyprische Forum kann sich nicht auf die große Ebene der Politik begeben und nicht dazu beitragen, daß die beiden Kontrahenten sich verständigen. Aber wir unterstützen natürlich ein wiedervereinigtes, friedliches, entmilitarisiertes Zypern. Wir sind der Meinung, daß das in Form eines Bundesstaates mit zwei Bundesländern sein könnte, einer bizonalen Föderation also. Für eine vorübergehende Zeit sollten auch die Bevölkerungsschwerpunkte, im Norden die türkischen und im Süden die griechischen Zyprioten, bleiben, bis man zu einer völligen Bewegungsfreiheit auf Zypern kommen kann.

F: Am heutigen Donnerstag beginnt eine von Ihnen organisierte Tagung auf Zypern unter dem Titel »Nachhaltige Entwicklung in Zypern - das Beispiel der Wasserbewirtschaftung«. Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dieser Tagung?

Wie ich schon sagte, die große Politik können wir nur ganz wenig beeinflussen. Wir sehen unsere Aufgabe eigentlich eher auf einer zivilgesellschaftlichen und auch kommunalen Ebene.

Das Wasserproblem ist in Zypern ein ganz zentrales, das eigentlich nur gelöst werden kann, wenn beide Seiten zusammenarbeiten. Eine nachhaltige Entwicklung in Zypern ist unbedingt notwendig, nicht nur im Hinblick auf die Ökologie, sondern auch im Hinblick auf die ganze soziale Entwicklung. Indem wir Wasserexperten von beiden Seiten, Leute, die in den Behörden auf beiden Seiten arbeiten, zusammenbringen, hoffen wir, zur Verständigung beitragen zu können. Dazu holen wir Experten aus Deutschland, die beraterisch tätig sein können. Deutschland war ja ebenfalls ein geteiltes Land, und auch da gab es Probleme der Zusammenführung, auch aus ökologischer Sicht, die dann gemeinsam gelöst werden mußten. Letztlich erhoffen wir uns, daß es über die Tagung hinaus zu einer Zusammenarbeit zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen kommt.

F: Inwieweit können Sie schon auf Erfolge Ihres Wirkens zurückblicken?

Das Deutsch-Zyprische Forum ist jetzt gerade mal anderthalb Jahre alt. Wir haben unsere erste Tagung im März dieses Jahres in Berlin gemacht. Dazu haben wir 20 Referenten aus Zypern geholt, zehn aus dem Norden und zehn aus dem Süden. Das war eine sehr harmonische und fruchtbare Konferenz, bei der wir festgestellt haben, daß es ein sehr großes Interesse von beiden Seiten gibt, zusammenzuarbeiten und sich kennenzulernen.

F: Es scheint ja sowieso, daß die zypriotische Bevölkerung, mehr als die politischen Eliten, an einer friedlichen Lösung interessiert ist.

Auf jeden Fall. Eine sehr spannende Entwicklung vor allem in diesem Jahr war, daß sich die Opposition im Norden formiert hat. Es gab zum ersten Mal eine richtig große Demonstration mit über 10 000 Teilnehmern, was für so ein kleines Land wie Nordzypern, das gerade mal knapp 200 000 Einwohner hat, eine ganze Menge ist. Parteien, Gewerkschaften und kommunale Gruppen haben sich da zu einem Oppositionsbündnis zusammengeschlossen und friedlich für mehr Demokratie und Menschenrechte demonstriert. Es gab eine gute Resonanz im Süden und im Ausland, daß sich dort auch mal die Leute zu Wort melden und den Mut haben, auf die Straße zu gehen.

F: Welche Hoffnungen haben Sie, daß es in Zukunft zu einer friedlichen Lösung kommen könnte?

Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Ich denke, der angestrebte EU-Beitritt Zyperns ist auf jeden Fall eine diesen Prozeß unterstützende Chance. Vor allem, seitdem auch die Türkei eine ganz klare Beitrittsoption bekommen hat. Dennoch wird natürlich sehr viel von der Entwicklung in der Türkei abhängen, da sie einen sehr großen, stark politischen Einfluß in Nordzypern hat. Wieweit bewegt sich die Türkei auf Europa zu, wieweit wird sie demokratischer und inwieweit achtet sie mehr und mehr die Menschenrechte? Man kann schon fast sagen, wenn die Türkei diese Entwicklung nicht will, dann wird es auch nicht zu einer friedlichen Lösung kommen. In diesem Zusammenhang ist auch die Annäherung zwischen Griechenland und der Türkei eine sehr wichtige Sache, die in den letzten Wochen und Monaten leider wieder Rückschläge erhalten hat. Wir hoffen aber, daß das auf einem guten Weg ist.

Interview: Axel Mannigel

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