junge Welt, 20.09.2000

BGS-Beamte als Geldeintreiber

Karlsruhe: Asylbewerber bei Paß-Kontrolle »in Amtshilfe« um Barschaft erleichtert

Asylbewerber, die in eine verdachtsunabhängige Kontrolle von Polizei und Bundesgrenzschutz geraten, müssen damit rechnen, daß die Beamten ihre Barschaft beschlagnahmen. So geschehen jüngst im Karlsruher Hauptbahnhof, wo ein türkischer und ein iranischer Staatsbürger nach Ausweiskontrollen, die nichts ergeben hatten, von den kontrollierenden Bundesgrenzschutzbeamten um ihre mitgeführten Geldmittel bis auf einen Betrag von 80 DM »erleichtert« wurden. Rechtsgrundlage dieser Beschlagnahme- Praxis ist laut BGS der Paragraph 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes, nach dem Asylbewerber verpflichtet sind, ihr Einkommen für die Kosten von Verpflegung und Unterkunft in den staatlichen Sammellagern einzusetzen. Jedem Asylbewerber steht in Baden- Württemberg in der Regel nur ein monatliches Taschengeld von 80 DM zu. Falls ein Asylbewerber mit einem höheren Betrag angetroffen werde, habe der BGS gegebenenfalls in Amtshilfe für den Kostenträger der Asylbehörde tätig zu werden, so ein Sprecher der Karlsruher BGS-Inspektion auf Nachfrage. Das eingezogene Geld werde nach Rücksprache umgehend an den Kostenträger weitergeleitet.

Die Karlsruher Asylanwältin Brigitte Kiechle hält diese Einziehung der Gelder durch den BGS generell für rechtswidrig, es sei denn, es liege ein hinreichender Verdacht für eine Straftat vor. Bei den beiden genannten Fällen träfe weder dies zu noch seien die Voraussetzungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erfüllt gewesen. Die Anwältin hat im Auftrag der Betroffenen deshalb Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beteiligten Beamten erhoben.

Am 19. Juli hatten BGS-Beamte einem türkischen Asylbewerber, der über eine Arbeitserlaubnis verfügt, während einer Kontrolle im Karlsruher Hauptbahnhof sein Urlaubsgeld in Höhe 1 800 DM beschlagnahmt. Zunächst hatte selbst die persönliche Vorsprache des Unternehmers, eines türkischen Imbiß-Betreibers, nichts gefruchtet. Erst nach der dringenden Intervention der deutschen Lebensgefährtin des Türken, die geltend machte, das Geld werde dringend für Mietzahlungen benötigt, gaben die Beamten den Betrag zurück. Dem iranischen Asylbewerber D., der Mitte August ebenfalls im Karlsruher Hauptbahnhof kontrolliert wurde, beließen die BGS-Beamten 80 DM seiner Barschaft von 300 DM und transferierten 220 Mark nach eigenen Angaben an den Kostenträger der Sammelunterkunft, in der der Asylbewerber wohnt. Der Iraner hatte jedoch geltend gemacht, daß es sich gar nicht um sein eigenes Geld handele, sondern um Geld eines Bekannten, das er für die Bezahlung seiner Anwältin entgegengenommen hatte. Rechtsanwältin Kiechle will die Rückgabe des Geldes an den rechtmäßigen Eigentümer nun notfalls gerichtlich erzwingen.

Auf Kritik von Flüchtlingshilfsorganisationen wie pro asyl trifft seit langem auch die Regelung nach Paragraph 153 Strafprozeßordnung (StPO), nach der der BGS Strafgelder für illegalen Grenzübertritt an Ort und Stelle einkassiert. So werden etwa an der Grenze zu Polen nach Informationen von pro asyl festgenommenen illegalen Einwanderern bis auf einen Selbstbehalt von 50 DM häufig alle mitgeführten Barmittel abgenommen. Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen sehen beim BGS zunehmend die Tendenz, seine Kompetenzen extensiv zu Lasten von Flüchtlingen und Ausländern auszudehnen. So lasse etwa der BGS in Karlsruhe oft die gebotene Schnelligkeit vermissen, wenn es darum gehe, vorübergehend festgenomme Ausländer nach der Klärung ihrer Identität wieder auf freien Fuß zu setzen, kritisiert Kiechle.

Auch in den eigenen Reihen stößt die Ausweitung der Kompetenzen des BGS auf Kritik. Martin Herrnkind, Sprecher der »Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen«, bezeichnet die neuen Befugnisse der Länderpolizeien und des BGS zur sogenannten, Schleierfahndung als eine »Facette des institutionalisierten Rassismus«, so Herrnkind in einem Beitrag der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Kritische Justiz.

Dieter Balle