Die Presse (A), 16.9.2000

Zündeln am Golf: Irak wirft Kuwait Ölraub vor, Säbelrasseln der USA

US-Außenministerin Albright drohte Bagdad mit einem Militärschlag, falls es Nachbarn bedrohe.

NEW YORK/BAGDAD (ag.). Die Szenerie erinnert frappant an jene Tage, als der Einmarsch der irakischen Armee am 2. August 1990 in Kuwait kurz bevorstand. Wieder wirft Bagdad dem benachbarten Golfstaat vor, irakische Erdölfelder im Grenzgebiet anzuzapfen. Wieder ist das Säbelrasseln am Golf unüberhörbar. Iraks Erdölminister General Mohammed Raschid bezichtigte seien Opec-Partner des "Diebstahls" und der "Sabotage". Er kündigte "geeignete Maßnahmen" an, um den Ölreichtum in den Dienst der arabischen Nation und nicht bösartiger amerikanischer Politik zu stellen. Kuwaits Außenminister Scheich Sabah al-Achmed al-Sabah wies die irakischen Anwürfe zurück. "Wir haben gar nichts gestohlen. Wir können nichts stehlen, was uns gehört." Der kuwaitische Informationsminister Saad bin Tiflah beschuldigte das Regime in Bagdad, die Region in einen neuen Krieg ziehen zu wollen. US-Außenministerin Madeleine Albright stellte noch in der Nacht auf Samstag unmißverständlich klar, daß die Vereinigten Staaten auf der Hut seien. "Wir haben eine glaubwürdige Streitkraft in der Region und wir sind bereit, sie einzusetzen," sagte Albright am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Die "Militäroption der USA" werde zum Tragen kommen, wenn der Irak die Kurden im Norden angreife, seine Nachbarn bedrohe, amerikanische Streitkräfte ins Visier nehme oder sein Arsenal an Massenvernichtungswaffen wieder auffülle, konkretisierte Albright. Doch es blieb nicht nur bei den warnenden Worten. Noch in derselben Nacht gab das Pentagon bekannt, daß amerikanische Kampfflugzeuge als Vergeltung für eine "Serie irakischer Provokationen in den vergangenen Tagen" eine irakische Radaranlage unter Beschuß genommen hätten. Allein am 4. September hätte die irakische Luftwaffe zwei Mal die Flugverbotszone im schiitischen Süden Iraks verletzt, erklärte Craig Quigley, ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Orchestrierte Provokation?

An diesem speziellen Tag hätten Amerikaner und Briten ihre üblichen Überwachungsflüge nicht durchgeführt. "Wir behalten es uns aber vor, zu reagieren, wann und wo immer wir es für angemessen halten", sagte Quigley. Am Donnerstag hatte die "New York Times" unter Berufung auf einen Beamten des US-Außenamts berichtet, daß ein irakisches Kampfflugzeug am 4. September auch in den Luftraum Saudi-Arabiens eingedrungen sei. US-Außenministerin Albright erklärte in der Nacht auf Samstag, Irak habe die Überflüge möglicherweise sorgfältig orchestriert, um pünktlich zum UN-Milleniumsgipfel in New York eine Krise vom Zaun zu brechen. Gleichzeitig beruhigte Quigley: Es seien keine irakischen Truppenbewegungen beobachtet worden. Rußland bemüht sich indessen, die Sanktionen gegen den Irak aufzuweichen. Die Fluggesellschaften Aeroflot und Vnukovo Airlines verhandeln nach Angaben der "Washington Post" bereits über Rechte für zivile Flüge Bagdad-Moskau. Explizit ist in den UN-Resolutionen zwar kein Verbot für zivile Flüge verankert. Das hat das UN-Sanktionenkomitee jedoch nicht daran gehindert, die Beschlüsse seit 1990 restriktiv auszulegen. Wer als Normalsterblicher nach Bagdad kommen will, muß demnach eine stundenlange Fahrt auf dem Landweg via Jordanien in Kauf nehmen. In einer ersten Reaktion bezeichnete Albright den Vorstoß der Russen als "keine gute Idee".