Frankfurter Rundschau, 18.09.2000

Asylpolitik Potsdams in der Kritik

Bischof Huber: Staat verschiebt Verantwortung ins Private

Von Karl-Heinz Baum

BERLIN, 17. September. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, hat der Landesregierung Brandenburg vorgeworfen, den Schutz von Ehe und Familie, des ungeborenen Lebens und der Gesundheit der Mutter "in schwer vertretbarer Weise in den Privatbereich zu verschieben". Wenn der Staat sich weigere, Grund- und Menschenrechte mit eigenen Mitteln zu garantieren, sei das "ein schwerwiegender Vorgang", schrieb Huber in Briefen an Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Die Schreiben und die Antwort Stolpes wurden erst jetzt bekannt.

Es geht um einem Fall von Kirchenasyl für eine von Abschiebung bedrohte Familie aus Vietnam. Der Innenminister will der Kirchengemeinde Dolgelin Kosten aufbürden, wenn sie meine, "sich für humanitäre Belange der Familie einsetzen zu müssen", wie Huber formuliert. Das Ministerium habe "ultimativ" angeboten zu warten, bis das erwartete Kind einen Monat alt sei. Erst dann werde die Mutter abgeschoben. Mit den Kosten für den Mann und das Kind entledige sich das Land "einer Verantwortung, die dem Staat zukommt". Respektiere der Staat humanitäre Grundsätze nur, wenn andere zahlen, könne man meinen, selbstloser Einsatz, soziale Verantwortung und Zivilcourage seien "letztlich doch nicht gewollt". Huber fragt: "Woher, wenn nicht von solchen Menschen, soll in der Gesellschaft eine Kraft gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit erwachsen?" Er bittet, die Familie bis zum Ende der Mutterschutzfrist zu dulden.

Stolpe antwortete im August, die Entscheidung, den Aufenthalt nur der Mutter bis einen Monat nach der Entbindung zu dulden, "genügt rechtsstaatlichen Grundsätzen". Wenn die Behörden das Kirchenasyl nicht beendeten, sei damit der Aufenthalt dennoch nicht rechtmäßig. Deshalb brauche das Land auch nicht die Kosten des Aufenthalts zu tragen. Brandenburg brauche gewiss Bürger, die sich für andere einsetzten. Doch soziale Verantwortung und Zivilcourage zu zeigen, könne sich auch finanziell auswirken.

Innenminister Schönbohm sprach von jahrelangem Asylmissbrauch. Wer mit Kirchenasyl rechtsstaatliche Entscheidungen unterlaufe, müsse für die Kosten aufkommen. Vor einer Woche hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) von Brandenburg einen humaneren Umgang mit Asylbewerbern gefordert.