junge Welt 15.9.2000

Forderungen Israels abgebügelt

USA nehmen Vermittlung im Nahost-Friedensprozeß wieder auf. Streit um Jerusalem

Einen Tag nach Verstreichen der ursprünglichen Frist für den Abschluß eines Friedensvertrags haben Israel und Palästinenser einen neuen Anlauf zur Beilegung ihres Dauerkonflikts unternommen. Unter Vermittlung der USA wollten sie am Donnerstag in New York erneut nach einer Lösung für den umstrittenen Status von Jerusalem suchen. Nach Angaben des israelischen Außenministers Schlomo Ben Ami sollen die beim Nahost-Gipfel in Camp David erarbeiteten Lösungsansätze in den kommenden zwei Wochen schriftlich niedergelegt werden. Weitere »Zugeständnisse« in den strittigen Fragen werde Israel dabei aber nicht machen, sagte der Minister in einem Fernsehinterview. Die palästinensische Seite wollte den israelischen Forderungen auch nicht entgegenkommen. Dennoch bestand Hoffnung, die Blockade in den Gesprächen zu überwinden.

Einzelheiten der bevorstehenden Gespräche erörterte Ben Ami bereits am Rande der UN-Vollversammlung mit Samuel Berger, dem Sicherheitsbeauftragten von US-Präsident Clinton. Auf seinem Programm stand außerdem eine Unterredung mit US-Außenministerin Madeleine Albright. Zu Berichten, wonach die USA neue Vorschläge zur Jerusalem- Frage vorgelegt hatte, nahm Ben Ami nicht Stellung. Unklar war zunächst auch, ob den getrennten Gesprächen der USA mit Israel und Palästinensern eine Runde unter Beteiligung aller drei Parteien folgen wird.

Der palästinensische Unterhändler Mohammed Dahlan bezeichnete Israels Forderung an die Palästinenser, im Streit um die Kontrolle der Heiligen Stätten in Jerusalem mehr Flexibilität an den Tag zu legen, als »irrsinnig«. Kein Palästinenser werde irgendeine Art von israelischer Souveränität über die El-Aksa-Moschee und den Felsendom akzeptieren - nach Mekka und Medina die heiligsten Stätten des Islam. Nach israelischer Auffassung steht die El-Aksa- Moschee auf den Ruinen eines von den Römern zerstörten jüdischen Tempels. Unterhalb des Tempelbergs befindet sich die Klagemauer, das höchste jüdische Heiligtum.

Die israelische Zeitung Haaretz berichtete unterdessen, Israel könnte sich mit der Souveränität über das Gelände unter der El-Aksa-Moschee und dem Felsendom begnügen. Bislang sah Israel ganz Jerusalem als »unteilbar« an und beanspruchte auch den arabischen Ostteil für sich. Dagegen fordern die Palästinenser Ost-Jerusalem als Hauptstadt ihres eigenen Staats.

Seit dem Scheitern des Nahost-Gipfels in Camp David Ende Juli sind die israelisch-palästinensischen Verhandlungen wieder ins Stocken geraten. Die Frist für die Aushandlung eines umfassenden Abkommens war am Mittwoch verstrichen. Die ursprünglich für den 13. September geplante Staatsproklamation hatte der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation am Wochenende auf unbestimmte Zeit verschoben.

(AFP/AP/jW)